Fünfzehn Kilometer

Persönlicher Antrieb

Es ist Januar 2021 und niemand hätte sich um dieselbe Zeit, ein Jahr davor, auch nur ansatzweise vorstellen können, was aus der Welt zwölf Monate später werden würde. Wie will man dies auch in Worte fassen? Wie kann man angemessen darauf reagieren, ohne die Contenance zu verlieren und selbst in den Strudel der Angst hineingezogen zu werden, der permanent in die Köpfe der Menschen injiziert wird? Wie soll man fassen, dass so viele Menschen allein durch diese politischen Entscheidungen alles verlieren? Entscheidungen, die nur einseitig wissenschaftlich gerechtfertigt, proklamiert und verabschiedet werden? Müsste man nicht eigentlich beruhigend auf die Bevölkerung einwirken, wenn sich eine Katastrophe anbahnt und sie nicht noch befeuern? Sicher, es gab bereits schlimmere Zeiten, doch wenn ich mir schon vor Kurzem nicht im Entferntesten ausmalen konnte, was mich ein Jahr später erwarten würde, was kann dann alles in fünf oder zehn Jahren möglich sein? Sollte es mir vielleicht egal sein? Nein, das ist es nicht, das ist es ganz und gar nicht!

Ich kann nicht erklären weshalb, aber es quält mich, es ist ein undefinierbares Empfinden, was mich dazu bewegt, diesem Zustand der Ohnmacht etwas entgegenzusetzen. Neben dem Glück, viele Freunde zu haben, die die Dinge ähnlich sehen und nicht damit einverstanden sind, dass die Gräben stetig vertieft werden und dem Gefühl der Dankbarkeit für all die wundervolle Zeit des bisherigen Lebens, sowie des Wunsches, diesen Zustand auch für zukünftige Generationen zu erhalten, bewahre ich mir die Fotografie, da sie mir hilft, das Ganze besser verarbeiten zu können.

Erneuerung des Systems

Tatsächlich habe ich gar nichts gegen einen Neustart des Systems, ich verbinde sogar positive Gedanken mit solch einem Vorhaben. Wir könnten so vieles verbessern, erneuern, Schadhaftes abschaffen und uns als Spezies Mensch positiv weiterentwickeln. Wir könnten in Harmonie mit den Tieren und Menschen dieser Erde leben und die mittlerweile hoch entwickelte Technik positiv nutzen. Wer sollte etwas gegen einen umweltfreundlichen Umgang mit der Natur haben? Wer ist schon gegen Frieden und Harmonie? Es wäre wundervoll, wenn wir die Ungerechtigkeit, den Hunger und das Elend dieser Welt dadurch beseitigen und die negativen Eigenschaften des Menschen, wie Neid, Gier und Frustration minimieren könnten.

Doch ist das nur Wunschdenken aus meiner Sicht, denn es sind genau die gleichen Kreise, die sich anmaßen, diesen Neustart für uns durchzusetzen, die bereits seit Jahrhunderten die Welt ins Chaos stürzen, die Völker gegeneinander aufbringen und globale Verwerfungen wohlwissend herbeiführen, da sie detaillierte Kenntnis darüber haben, wie die Gesellschaften samt ihrer Psyche funktionieren. All diese Denkstrukturen sind auch kein Geheimnis, sie sind öffentlich zugänglich. Es reicht für den Anfang, ein paar Bücher einiger einflussreicher Personen zu lesen, beispielsweise die des Sicherheitsberaters Zbigniew Brzeziński mit seinem Werk „Die einzige Weltmacht“ oder Gustav le Bons „Psychologie der Massen“ sowie Edward Bernays „Propaganda“. Für dieses Klientel scheint die Welt ein Schachbrett zu sein und ich wehre mich dagegen, so zu agieren, wie sie es gerne hätten.

Divergenz der Weltbilder

Mir ist bewusst, dass viele Menschen die Dinge völlig anders sehen, das ist auch legitim. Nur sollte nicht jeder das Recht haben, seine individuelle Wahrheit frei zu äußern, ganz ohne Ausgrenzung oder Diffamierung? Es muss gewährleistet bleiben, dass wir ohne Angst über alles miteinander sprechen können! Ist das nicht das Wesen der Demokratie? Wo bewegen wir uns alle hin? Es macht mich fassungslos, dass eine gigantische Anzahl an Menschen die berechtigten Gefahren dieser Entwicklung völlig auszublenden scheint und nicht erkennen möchte, welch unheilvolles Potential in ihr schlummert. Sie verurteilen sogar diejenigen, die auf den offensichtlichen Wahnsinn hinweisen. Ja, ich kann mich auch irren, ich kann völlig falsch liegen, doch in dem Fall irre ich mich gern, ich möchte es sogar!

Schon immer beschäftigten mich die wirklich großen Fragen dieser Erde, mich interessierte stets die Welt aus der Vogelperspektive, daher bin ich sicher voreingenommen. Für mich gibt es so viele ungeklärte Fragen. Es ist eine schier unglaubliche Masse an Unaussprechlichem und Ungeklärtem, dass mir der Atem stockt, und dennoch bin ich gefangen in dieser Zeit, in diesem Augenblick. Es ist die kollektive Bewusstlosigkeit, gepaart mit einer immensen Gutgläubigkeit, die mich ohnmächtig zurück und dystopisch in die Zukunft blicken lässt. Wir alle haben nur das eine Leben und müssen das Beste daraus machen. Dies tue ich auf meine Art, der Fotografie. Sie ist für mich ein Ventil, um das Unverständnis zu verarbeiten und die Dinge in etwas Positives umzuwandeln.

Ein Silberstreif am Horizont

Fünfzehn Kilometer. Ganze fünfzehn Kilometer beträgt der Radius, in dem man sich noch frei bewegen kann. Wer legt solche Zahlen fest? Weshalb fünfzehn und nicht vierzehn oder nur einen? Was kommt als Nächstes? Lebensmittelmarken? Ausgang nur einmal pro Woche? Mittlerweile gibt es schon Internierungen für Quarantäneverweigerer. Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Es ist schier alles möglich. Das, was ich noch vor einem Jahr für unmöglich hielt, ist ganz real und tatsächlich zur Option geworden. Um diesen Wahnsinn verarbeiten zu können, fasste ich den Entschluss, meinen Gefühlen Raum zu geben und beschloss, mir den äußersten Rand des verordneten Radius um meine Wohnung anzusehen und festzuhalten. Ich plante, genau fünfzehn Kilometer Luftlinie weit wegzufahren und aufzunehmen, was immer mir dort vor die Linse kommt. Ich bin froh, diese Idee realisiert zu haben, da sie mich an das Schöne in dieser Welt erinnerte.

Mein kleiner Trip, oft begleitet von faszinierender Tristesse, machte mir bewusst, dass es nicht viel braucht im Leben, um einen Augenblick des Glücks und der Hoffnung zu empfinden. Es waren die kleinen Dinge, die mir ein wohliges Gefühl übermittelten, eine verlassene Straße, mitten im Nirgendwo, ein goldener Sonnenstrahl, der hinter einem stolzen Ast hervortrat, einsame Baumreihen, die in der Ferne die karge Landschaft zierten oder der Moment mit einem liebenswerten Menschen. Es gab viele Augenblicke des Innehaltens und der Bewunderung. Ich möchte meine Empfindungen mit euch teilen, vielleicht gibt sie dem einen oder anderen ein kurzes Gefühl der Freude und der Hoffnung, das ist alles, was ich damit erreichen möchte.

~ Ulli

18 thoughts on “Fünfzehn Kilometer

  1. Wie wunderbar!
    Wieviel Schönes doch im Radius von 15 Kilometern zu sehen ist…wieviel Besonderes, wieviel Betrachtenswertes, wieviel von den Dingen, die man sonst einfach übersieht…
    Dankeschön dafür!

      1. wunderschön, lieber Ulli. So perfekt zusammengefasst. Meines Erachtens ein Text zum Aufwachen. herzlichen Dank

  2. Salut Ulli! Hab‘ Dank für die wunderschönen und bezaubernden Bilder. Eine sehr gute Idee, diese erst nach dem Text zu zeigen. Ich schätze Deine ehrlichen Worte und wünschte, es gäbe mehr von Deiner Sorte. Tja, die gibt’s nicht und mein Verständnis von Contenance kennst Du ja bereits. Bei fünfzehn Kilometern fängt RF hier erst an zu schmunzeln. Und @wholelottarosie hat Recht. Wer von den insufizienten Digifreaks hat denn noch die leiseste Ahnung von Natur oder ihrer Schönheit? Werd‘ meine LIste trotzdem nicht ergänzen. Danke auch dafür 😉 Liebe Grüße Roman

  3. Super Text
    Super Aufnahmen
    Super Idee!!!!

    Mit solch positiven Sichtweisen bringt man Licht ins Dunkel und in die Seelen! Genau das was wir jetzt dringend brauchen!
    Diese Zeit hat neben dem Chaos und den daraus entstandenen vielen Schicksalsschlägen auch sein Gutes. Hätte man zum Beispiel sonst seine nähere Umgebung so intensiv und dankbar wahr genommen? Ich freue mich mehr denn je über schöne Sonnenauf- und -untergänge!

    Danke für deine Gedanken schönen Aufnahmen und alles Gute!

  4. Hallo Ulli,

    ich habe Deinen Blog auf cashkurs entdeckt – und dort den nachfolgenden Kommentar gepostet. Ich danke sehr für Deine Worte – und die überragenden Kunstwerke!

    Jean

    Unglaublich schöne Fotos – großes Kompliment!

    Ich teile die sehr gefühlvoll niedergeschriebenen Gedanken.

    Leider habe ich im Freundeskreis nur eine sehr überschaubare Zahl von Menschen, die ähnliche Überlegungen anstellen – was ich nicht fassen kann.

    Gleichzeitig lese ich von offenbar einer großen Zahl von Befragten, die den aktuellen Maßnahmen – aus welchen Gründen auch immer – nicht zustimmen (ARD od. ZDF – ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe … bin nur sicher, dass es ö. – r. war).

    Doch WO sind die?
    Alle bei facebuk, wo ich nicht bin? 😉

    Was ich aktuell nicht finde: gemeinsames Handeln.

    Ich sehne mich nach einer Plattform, die alle die abholt, die
    – spätestens jetzt anfangen, nachzudenken
    – nicht (offen und versteckt) rechts oder links oder anderweitig ideologisch verbrämt denken
    – Menschenwürde und Demut gegenüber Natur und Tierwelt als oberste Güter respektieren
    – eigenverantwortlich denken und handeln
    – und keinen geistigen und materiellen Müllhaufen hinterlassen wollen (und ich hab noch nicht mal Kinder).

    Ideen gerne an bierbichler_peter@web.de

    1. Hallo Peter,

      ich danke dir sehr für deine Worte und ich fühle, wie sehr dich all das tief bewegt. Du suchst einen Ausweg, eine Lösung. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, glaub mir. Es ist die Ohnmacht, die dich umgibt, wisse, dass du nicht allein bist. Auch wenn du gerade keinen Ausweg findest, du bist Einer von Vielen! Akzeptiere, dass du trotz Tatendrang die Welt nicht ändern wirst, das kann ich auch nicht, aber ich kann etwas erschaffen, etwas präsentieren und versuchen, etwas zu bewegen in kleinem Maßstab. Das ist für mich der Sinn des Lebens, etwas getan zu haben, was bleibt, etwas, was sich auch Individuen 500 Jahre später zu Gemüte führen können und etwas dabei fühlen. Dieser Gedanke ist es, der meinem Leben einen Sinn gibt. Unterstrichen wird meine Gefühlswelt von der Musik, die mir soviel Kraft gibt und das ausdrücken kann, was ich in Teilen mit meinen Bildern möchte. Gerade höre ich „Bob Dylan & Johnny Cash – Girl from the North Country“. Worte können nicht beschreiben, was ich dabei empfinde und wieviel Kraft mir diese Lethargie in diesem Song gibt, man muss es fühlen. Ich kann dir nur den Rat geben, dich auf deine Gefühle zu verlassen, an das Schöne zu denken, auch das, was du in deinem Leben schon erlebt hast. Es wird dir Kraft geben. Verstricke dich nicht in Debatten oder Fakten, die in der neuen Religion sowieso keinen Platz finden werden. Fühle, Liebe, Genieße. Nutze die Zeit, die dir noch bleibt für die wunderschönen Dinge im Leben, die ganz klein in Erscheinung treten können. Ich wünsche dir alles Liebe und ganz viel Kraft!

      1. Hallo Ulli,

        danke für Deine Worte.

        Ich kann Deine Wertschätzung für die Künste sehr gut teilen – auch und besonders für die Musik.

        Mir geht es aber tatsächlich um was anderes: das (Ver-) Sammeln.

        Wenn sich die vielen Blogger, Autoren und Nachdenkenden irgendwie verbinden könnten, wäre vielleicht mehr „Gewicht“ vorhanden.

        Aber ich weiß : Ds ist eine schöne Utopie 😉

        Jean

      2. Diesen Schritt, den du meinst, ist der eines William Wallace, der die Schotten vor der Willkür der Engländer befreien wollte. Sie gaben alles, auch ihr Leben, für die Freiheit. Dies wird der letzte Schritt sein, den wir gehen werden müssen. Aber bis es soweit ist, gehe ich meinen Weg. Ich versuche Menschen auf dem emotionalen Wege zu erreichen. Wenn dies nicht gelingt, ist sowieso alles zu spät. Also, hege die Hoffnung nicht in der Verzweiflung, sondern im Mut des Vorlebens und des Erschaffens.

      3. Ja, das ist ein guter Weg!

        Aber ich fürchte, Du missverstehst mein Ansinnen, das nicht aus Verzweiflung oder Hoffnungslosigkeit resultiert – für solche Sentimentalitäten bin ich möglicherweise zu alt.

        Ich denke, dass wir Chancen zur Vernetzung haben.

        Dir dennoch danke für Deine wertvollen Impulse!!!

        Alles Liebe,
        Jean

      4. Ich danke für die Ansätze von Akzeptanz! Ich lese heraus, dass es dir um die Vorstufe eines William Wallace ähnlichen Zustandes geht. Es ist wichtig zu realisieren, dass wir uns schon unser ganzes leben lang in einer Art Matrix befinden. Selbst, wenn es so eine Vereinigung aller Rechtschaffenden geben würde, wüsste das seit Jahrhunderten bestehende Klientel, sich dies zu Eigen zu machen und es zu unterwandern. Diese erstarkende Bewegung würde sich das System einverleiben, da es die erwähnte Psyche der Gesellschaften infiltriert hat und versteht wie kein Anderer. Deswegen sind fast schon außerirdische Methoden die einzige Antwort auf diese Unaussprechlichkeiten. Man muss zuerst einmal diesen Fakt anerkennen, die Situation nüchtern betrachten, ähnlich wie eine tödliche Diagnose, die einem der Arzt vermittelt, erst dann kann man klare Gedanken fassen und zu Taten schreiten, die bis Dato noch nicht gegangen worden sind.

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