Blick aus der Ferne

Vorwort

Es ist zwei Uhr nachts. Drei Tage lang saß ich nun an meinem Rechner, machte mir Notizen und verfasste unzählige Zeilen über meine Heimat Deutschland. Formulierte aus, wie wenig ich es wiedererkenne und wie schnell sich Schatten über die Gemüter der Menschen legen kann. Ich sinnierte noch einmal über den desolaten Zustand und die wenig verheißungsvolle Zukunft, über die vorsätzliche Zerstörung, die unverhohlene Kriegstreiberei, die mediale Berichterstattung, die daraus resultierende Spaltung der Gesellschaft und weshalb ich mich so sehr darauf freute, all dem für einige Wochen zu entkommen. Ein ganz guter Einstieg für einen Urlaubsartikel, wie ich fand. Aber ich verwarf die Gedanken wieder, denn sie wiederholten letztendlich nur all das bereits Gesagte.

Deswegen bleibt es bei zwei kleinen Reiseberichten, die sich nur mit meinen Erfahrungen in der Ferne beschäftigen und nicht mit politischen Appellen unterfüttert werden. Sie handeln von meiner dreiwöchigen Reise in das ehemalige Jugoslawien, die ich mit Grit, Micha und ihrem Sohn Basti unternahm. Beste Freunde, mit denen ich bereits vor drei Jahren nach Istrien aufbrach und wunderschöne Erfahrungen machte.

Meine Gefährten Micha, Basti & Grit
Ausflug in die Geschichte

Kroatien und Montenegro sind Länder, die damals eins waren und in dem ein bekannter Präsident wirkte: Tito. Er starb in dem Jahr, als ich geboren wurde: 1980. Seine Regentschaft kenne ich also nur aus Erzählungen. Sie schien vielschichtig und kontrovers zu sein. Trotzdem denkt man im ehemaligen Jugoslawien noch heute an ihn. Das kam zumindest aus dem einen oder anderen Gespräch zum Ausdruck, welches ich mit den Einheimischen des Öfteren führte.

Für Viele schien es nicht die schlechteste Zeit gewesen zu sein. Zwar war sie sozialistisch geprägt, aber nicht im Stile Stalins, dem sich Tito damals sogar widersetzte. Der humorvolle und in Teilen autoritäre Lebemann führte Jugoslawien offensichtlich in den Fortschritt und hielt es zusammen. Einige Jahre nach seinem Tod zerbrach es jedoch in viele kleine Staaten. Nun fuhr ich in zwei dieser Regionen und durchschritt dabei sogar noch eine Dritte: Slowenien, was, wie ich erfuhr, wohl die erste Region war, die sich abspalten wollte vom damaligen Vielvölkerstaat Jugoslawien.

Die Reise beginnt

Die Koffer gepackt, die Personalien abfotografiert und das Geld gezählt, ging es endlich los. Ich fuhr früh in den Morgenstunden und bemerkte erst nach zwanzig Minuten, dass ich etwas Essenzielles vergessen hatte, mein Kartenlesegerät. Ich kann ohne dieses kleine Ding keine Bilder auf meinen Laptop ziehen und anfangen sie zu bearbeiten. Nein, das geht nicht. Also drehte ich um. Als ich dann erneut startete, quietschte plötzlich mein Mazda, wenn ich bremste. Das geht ja gut los, dachte ich mir und rief meine Werkstatt des Vertrauens an, die mir glücklicherweise kurzfristig half und das Problem beseitigte. Danke dafür noch einmal an dieser Stelle an Auto Dörfel in Wittenberg! Endlich konnte ich ins Gaspedal treten!

Bad Reichenhall

Mein erster Halt lag im Süden Bayerns, in Bad Reichenhall. Ich buchte ein Zimmer in einer kleinen familienbetriebenen Herberge direkt am Thumsee. Ein wahrlich idyllisches Fleckchen Erde. Nachdem ich eingecheckt hatte, entschloss ich mich in die Stadt zu fahren. Dort traf ich Anna, eine ältere Dame, die viel über Bad Reichenhall zu erzählen hatte und mit der ich einen Teil meines Weges ging. Bevor wir uns voneinander verabschiedeten, gingen wir noch etwas Essen in einem bekannten Brauereigasthof, dessen Bier ich sogar schon in Wittenberg gesehen habe. Ich fuhr zu meiner Unterkunft und genoss noch ein kühles “Bürgerbräu” am Thumsee.

Die nächste Etappe

Am nächsten Morgen ging es weiter. Es herrschte Vorfreude auf unsere Gastgeber im Norden Kroatiens, die wir immer wieder wählen. Meine Vermieterin heißt Vedrana. Die gebürtige Kroatin lebt eigentlich in Italien, aber während der Saison kommt sie nach Medveja, betreut das Hotel und kümmert sich nebenbei noch um ihre Eltern. Sie ist herzlich, freundlich, offen und hilfsbereit. Jeder, der ihr Mieter sein darf, wird bemerken, mit wie viel Liebe sie ihr Unternehmen führt. Auch Grit und Micha landen immer wieder bei der gleichen Vermieterin. Sie heißt Milena und lebt gemeinsam mit ihrem Bruder Marino im Ort nebenan, in Lovran. Ihr Domizil liegt relativ weit oben. Der Weg dorthin ist für Nichtkroaten eine Herausforderung. Ich erzähle lieber nicht, welche Schweißausbrüche ich bekam, bis ich bei Milena ankam.

Doch um erst einmal nach Istrien zu gelangen, mussten wir Österreich durchqueren. Mein Gott, was war das für ein Wetter. Der Himmel weinte, er weinte unermesslich. Schauer, Donner und Stürme begleiteten uns während der gesamten Strecke und brachte zeitweise jeden Autofahrer an seine Grenzen. Viele Menschen stört das sicher. Mich nicht. Ganz im Gegenteil. Es war perfekt für meine Kamera. Ich parkte unentwegt und hielt diese dämonischen Augenblicke fest, wo ich nur konnte.

Unwetter in Österreich

Nach Stunden des Untergangs klarte der Himmel auf und ich erreichte schließlich die slowenische Grenze. Ich machte Halt in Bled, ein sehr bekannter Ort und beliebtes Ausflugsziel für Touristen. Leider stand die Sonne nicht optimal, sodass meine Aufnahmen nicht besonders aufregend geworden sind.

Ankommen in Istrien

Nach sechs Stunden Autofahrt erreichte ich schließlich mein Etappenziel. Ich lächelte, schloss zeitweise die Augen und genoss die saubere Meeresluft in vollen Zügen. Endlich den Zauber dieses hinreißenden Landstriches wieder spüren und alles hinter sich lassen. Minuten ließ ich es auf mich wirken, bevor ich weiter fuhr nach Medveja zu Vedrana.

Lovran

Es war, als wäre es gestern gewesen, dass ich hier war. Sofort fühlte ich mich zu Hause. “Willst du ein Bier?”, fragte sie mich. “Ja gern”, erwiderte ich. Anschließend setzten wir uns auf die Veranda und plauschten vorrangig auf Deutsch und Englisch, bevor ich mein Zimmer bezog und an den Strand ging. Gegen Nachmittag trafen Grit, Micha und ihr Sohn ebenfalls ein. Auch ihre, mir bis dato unbekannte Vermieterin Milena, freute sich wahnsinnig, die drei wiederzusehen. Noch am selben Abend verabredeten wir uns alle bei ihr. Wie bereits erwähnt, kann ich nicht genau sagen, wie ich an ihr Haus gelangt bin. Ich weiß nur eins, ihr Bruder musste meinen Wagen wieder auf den rechten Weg bringen. Jedenfalls habe ich jetzt verstanden, weswegen Grit und Micha immer in den höchsten Tönen von ihrer Vermieterin sprachen. Eine toughe und humorvolle Frau, die ihre riesige Wohnfläche samt gigantischer Gartenanlage allein mit ihrem Bruder bewirtschaftet. Einige Mietshäuser hat ihr Bruder eigenhändig aus dem Boden gestampft. Viel Arbeit, aber wenn man bedenkt, welch bezaubernden Ausblick sie jeden Tag frönen dürfen, entschädigt dies für so einiges.

Die kleinste Stadt der Welt

Am nächsten Morgen war es für kroatische Verhältnisse relativ mild. Nach dem köstlichen Frühstück entschied ich mich von daher ein wenig ins Landesinnere zu fahren, nach Hum, die sogenannte kleinste Stadt der Welt. Auf der Karte sieht es gar nicht so weit aus, aber wenn man den Weg gefahren ist, weiß man, warum man so lange braucht um dort hin zu gelangen. Bergauf, Serpentinen satt, enge verwinkelte Straßen und Gassen bis hin zu Feldwegen zierten den Weg. So manch einen Moment zitterte ich um meinen Wagen, und betete, dass er die Strapazen überleben würde. Irgendwann kam ich dann doch an und wurde belohnt mit strahlendem Sonnenschein und einem Ausblick, der seines gleichen sucht. Hum hat es mir angetan. Ein wahrhaft bezaubernder Ort. Ich lief durch die Gassen entlang, dinierte in der einzigen Konoba und kaufte sogar einheimischen Wein. Hier traf ich Österreicher aus Steier, die dem eigenen Alltag ebenfalls entfliehen wollten. Denn auch in ihrem Land geht es politisch gesehen drunter und drüber. Viele hundert Aufnahmen später, machte ich mich nach einigen Stunden wieder auf den Heimweg. Rückzu bemerkte ich, dass es auch eine Schnellstraße gibt. Wunderbar.

Hum
Ausklang

Der kurze Aufenthalt in Istrien neigte sich so langsam dem Ende. Es waren zwei wundervolle Tage. Am letzten Abend gingen wir im Restaurant “Riviera” essen. Für mich das erste mal, scheinen Grit, Michael und Basti des Öfteren eingekehrt zu sein, denn die Kellnerin begrüßte sie auf das Allerherzlichste. Sie und ihr Vater arbeiten schon viele Jahre hier und lieben was sie tun, das merkt man ganz deutlich. Hier bleiben keine Wünsche offen. Von ihrem Hauswein waren wir so begeistert, dass wir glatt ein paar Flaschen mitnahmen. Am Ende durfte ich sogar ein Bild von den Zweien machen. Und was soll ich sagen, man spürt einfach was ich meine, wenn man in ihre Gesichter blickt. Es war ein herrlicher Ausklang dieser kurzen aber intensiven Zeit in Istrien. Die Abenddämmerung genoss ich noch für einen Augenblick am Strand, bevor ich heim ging.

der Süden Kroatiens

Früh morgens ging es weiter. Ich verabschiedete mich von Vedrana und sagte, dass es sein könne, dass ich auf dem Rückweg noch einmal bei ihr übernachten werde. Ich würde mich rechtzeitig melden. Aber nun, auf in den Süden! Kaum zu glauben, aber bisher haben wir erst die Hälfte unserer Strecke geschafft. Vor uns lagen noch einmal knappe eintausend Kilometer. Unser nächstes Ziel war Zadar. Die Stadt liegt etwa 300 Kilometer südlich von Istrien entfernt und ist relativ gut über die Schnellstraße zu erreichen. Ich entschied mich allerdings die Meeresstraße entlang zu fahren. Man kann sich denken warum. Für diese Aussichten hat sich der Umweg gelohnt.

Vorbei an lang gezogenen Inseln und unendlich vielen Kurven, erreichten wir gegen Nachmittag unsere Behausungen nahe Zadar. Eingecheckt, gingen wir abends noch in die Altstadt und blickten einem wundervollen Sonnenuntergang entgegen. Am nächsten Morgen frühstückten wir an einer Promenade mit perfektem Hafenblick. Wir hätten ewig hier verweilen können.

Auf nach Dubrovnik

Letzte Station vor unserem finalen Ziel in Montenegro war Dubrovnik. Wer die Serie “Game of Thrones” kennt, weiß, dass hier viele Szenen gedreht wurden. Vorbei an Split, was wir auf den Rückweg mitnehmen sollten und der neuen Pelješac-Brücke, die es nun ermöglicht, den Grenzübergang von Bosnien/Herzigowina zu vermeiden, erreichten wir am späten Nachmittag das entlegene Dubrovnik und letzte große Stadt Kroatiens. Ein märchenhafter Ort. Wir kosteten so viel wie möglich aus, bevor wir unsere vorerst letzte Etappe antraten. Diese Strecke war eine der schönsten aus meiner Sicht. Oft hielt ich an und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, so sehr beeindruckte mich die Landschaft und die unendliche Weite dieser Gegend. Es lässt sich kaum beschreiben und selbst Bilder können es nicht wiedergeben. Man muss es erleben.

Schließlich erreichten wir die Grenze und betraten endlich Montenegro. Erste Eindrücke dieses bezaubernden Landstrichs sind am Ende meiner Bilderreihe zu sehen.

Es gäbe noch soviel zu erzählen und zu zeigen, aber würde das den ohnehin schon viel zu langen Artikel gänzlich sprengen. Ich hoffe dennoch, dass ich den einen oder anderen inspirieren kann, diese Region zu besuchen. Die Landschaft und vor allem die freundlichen Menschen sind es auf jeden Fall wert.

Dies war der erste Teil meines Reiseberichts. Nun werde ich mich an den zweiten Teil setzen.

Doviđenja!

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