Stürme der Entrüstung

Kein Tag wie jeder andere

Berlin. Samstag, der 25. Februar 2023. Der Tag, an dem die leider sehr umstrittene Demonstration für den Frieden in der Ukraine stattfinden sollte. Initiiert von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer. Es war ein wirklich apokalyptischer Tag. Regen, Schnee, Wind. Das volle Programm.

Sicher war ich mir nicht, ob ich mich auf den Weg machen sollte, denn es gab in letzter Zeit des Öfteren Augenblicke, in denen ich mich fragte, ob das alles überhaupt noch Sinn macht. Seit Jahren versuchen wir verzweifelt auf jedwede Art unsere Mitmenschen zu erreichen, um zusammen gegen die offensichtlich interessengeleitete Politik aufzustehen, aber nichts half. Im Gegenteil. Die Abneigung manifestierte sich und Nebel legte sich über die Zuversicht.

Marodeure dieser Zeit

Die Vernunft wurde stetig weiter in die Ecke gedrängt. Jede Bestrebung, etwas Positives gedeihen zu lassen, wurde im Keim zertrampelt und mit dem unsterblichen Stigma „rechts“ versehen. Dass all diese destruktiven Gedanken und die damit einhergehenden Ideologien Einzug in die Köpfe vieler Menschen halten konnte, haben wir einzig und allein der hiesigen Journaille zu verdanken, die schon seit vielen Jahren den Pfad der Unvoreingenommenheit verlassen hat und, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch die Staatsräson in die Hirne der Bevölkerung meißelt. Sie sind das triefende Schmiermittel dieses korrupten Systems und nutzen ihre Reichweiten, um alles Relevante ins Gegenteil zu verkehren. Sie bringen es sogar zustande, ein einfaches und unmissverständliches Wort wie „Frieden“ und Botschaften wie “Verhandeln statt Waffen” so zu kontaminieren, dass bei Teilen der Bevölkerung eine nicht nachzuvollziehende Aversion entsteht. Sie nennen uns „Friedensschwurbler“ und „Lumpenpazifisten”. Eine Steigerung dieser Perversion ist kaum vorstellbar. Hinzu kommen hasserfüllte Phrasendrescher, die in den höchsten Ämtern sitzen und Absonderungen von sich geben wie der Baden-Württembergische Finanzminister Danyal Bayaz:

„Was sich da Friedensdemo nennt, ist die hässlichste Fratze Deutschlands und eine Schande für unser Land.“

Und das Entsetzlichste daran ist, dass es so unermesslich viele Menschen gibt, die solche Tiraden auch noch beklatschen. Jene sind es auch, die sich nicht vorstellen können, wie man in so einer Situation noch für Verhandlungen mit Russland einstehen kann. Jene sind es, die den Gegenprotest bei einer Friedensdemonstration besuchen.

Wie oft begleitete ich Demonstrationen und versuchte die Hoffnungen der Teilnehmer einzufangen, die sich gemeinsam gegen die immer absurder werdende Politik stellen. Ich sah mich stets als kleines mediales Gegengewicht zum homogenen Einheitsbild, den die großen Sendeanstalten über sämtliche Medien im Dauerbeschuss von sich geben. Eben jene Medien, die vor einigen Jahrzehnten die damaligen Friedensbemühungen noch unterstützten, marschieren nun im Einheitsschritt mit der Obrigkeit und mähen alles nieder, was nur den Anschein einer Opposition besitzt.

Es ist wahrlich zum Fremdschämen, welch Gedankenschlick diese verderbten Flaggenträger absondern. Diese gewissenlosen Seelenspalter tragen zur Massenverwandlung bei und scheinen es dabei nicht einmal zu bemerken, wessen Klaviatur sie da bespielen. Es dauert nicht mehr lange, bis Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer von diesen Ödniswächtern ebenso gesellschaftlich ausgegrenzt werden, wie diejenigen, die es gewagt haben, während der Coronakrise ihren Mund aufzumachen. Dank ihnen allen, werden wir uns immer weiter voneinander entfernen. Es fehlt nicht mehr viel und die einst friedliebenden Menschen hierzulande werden sich genauso gegenseitig hassen bis aufs Blut, wie Ukrainer und Russen.

And the winner is…

Gewinner ist wieder einmal der lachende Dritte. Der Puppenspieler, der schon seit ewigen Zeiten auf genau dieses Szenario hinarbeitet. Geostrategen, die nur ihren eigenen Vorteil sehen und denen das Leid Anderer völlig egal ist. Individuen, die sich für gescheiter halten, die meinen zu wissen, was gut ist für die Menschheit. Und wir? Wir lassen es geschehen, spielen ihr Spiel mit und verlieren uns im Kleinklein.

Das Herrschaftswissen, welches seit Jahrhunderten in diesen Kreisen weitergegeben worden ist, wurde im Laufe der Zeit perfektioniert. Es wuchs. Es florierte zu einer einzigartigen Macht und hat jetzt, im Zeitalter der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz, ihren Höhepunkt erreicht. Wie will man das durchbrechen? Wie will man jahrhundertelangen Vorsprung aufholen? Die grausame Antwort darauf lautet: gar nicht. Zumindest nicht in unserer kurzen Lebensspanne. Aber wir können Wegmarken legen. Etwas hinterlassen. Wir können im Hier und Jetzt, wohl wissend, dass wir es in unserem Leben nicht mehr verhindern können, ein Zeichen setzen für die Nachwelt und beweisen, dass wir alles auf friedlichem Wege versucht haben, um dem Wahnsinn etwas entgegenzusetzen. Und das haben wir! Nur ein kurzer Blick in die Vergangenheit belegt, welch eine Macht in einer Minderheit schlummerte und was sie auf den Weg brachte. Trotz aller Widrigkeiten, trotz all der Häme und schlechter Presse, blieben sie standhaft und widersetzten sich der Düsternis.

Momente der Hoffnung

Auch dieser 25. Februar ist so ein Lichtblick. Ein Tag, dem Menschen in einer besseren Welt vielleicht gedenken und anerkennen, dass es einen Teil der Bevölkerung gab, die sich den vielen Ungerechtigkeiten entgegenstellten. Diesen Tag hielt ich fest und bin am Ende froh, vor Ort gewesen zu sein.

Schlussendlich bleibt mir nur zu sagen, dass ich Sarah Wagenknecht, Alice Schwarzer und allen, die sich auf den Weg machten, dafür danke, dass sie sich diesem Sturm der Entrüstung entgegenstellten und trotz der noch zu erwartenden Stürme, weiterhin für den Frieden einstehen.

Friedenstaube

Ein Zeichen für den Frieden

Vergangene Woche entdeckte ich einen Flyer mit einer Friedenstaube darauf. Dort stand geschrieben: “Menschenkette. Protest gegen die Panzerlieferung. Frieden, Heizung, Brot statt Waffen, Krieg und Tod.” Erfrischend, dachte ich mir. Mal etwas anderes als die Montagsspaziergänge, die zwar immer noch in Wittenberg stattfinden, aber leider bei vielen Menschen keine positiven Assoziationen mehr hervorrufen. Corona war der Auslöser für das wöchentlich stattfindende Ereignis. Nachdem dieses Thema in den Hintergrund gerückt ist, gab es keinen Grund mehr für viele, montags auf die Straße zu gehen. Der Spaziergang aber lebt weiter. Nur wofür er nun noch steht, wissen die meisten Menschen nicht. Da ist ein Aufruf zu einem ganz konkreten Thema, eine gute Alternative.

Eindrücke

Die Kamera im Gepäck, düste ich bei herrlichstem Sonnenschein gen Treffpunkt, der an einer viel befahrenen Straße unweit des Stadtzentrums lag. Das Auto geparkt, ein paar Hände geschüttelt, fing ich an, den Auslöser zu betätigen und meine Eindrücke festzuhalten. Es herrschte eine angenehme Stimmung. Die Menschen waren trotz des freudlosen Themas, heiter und herzlich. Sie lächelten in meine Kamera und ließen sich ganz entspannt ablichten. Sie schwenkten ihre Friedensfahnen und winkten den Autofahrern zu, die das Treiben unterschiedlich aufnahmen. Doch meistens waren sie erfreut und drückten ihre Zustimmung durch lautes Hupen aus.

Begegnung

Als ich einige Aufnahmen im Kasten hatte, begab ich mich auf die andere Straßenseite, um von dort aus alternative Perspektiven aufzunehmen. Gerade positionierte ich mich, als mir jemand auf die Schulter klopfte und mich auf Russisch ansprach. Eine ältere Dame und ihr Mann (wahrscheinlich) wollten offensichtlich wissen, was hier los war. Die Frau begann in ihr Handy zu sprechen, und ließ sie per Google Translator ins Deutsche übersetzen. Schnell fand ich heraus, dass es eine ukrainische Familie aus Cherson war, deren Haus unter Beschuss stand und ihnen nichts mehr geblieben sei. Ich drückte mein Bedauern aus und konnte nachvollziehen, dass die Beiden die Situation ganz anders beurteilen.

Immer wieder tauschten wir unsere Standpunkte aus und reichten das Handy hin und her. In der Kürze der Zeit ließ sich natürlich kein tiefgründiges Gespräch führen. Dennoch versuchte ich ihnen zu vermitteln, dass wir als Deutsche alles dafür tun sollten, den Frieden zwischen den verfeindeten Parteien anzustreben und nicht permanent die Dinge weiter eskalieren zu lassen. Wir sollten keine Waffen und Panzer senden. Die Menschen hier stehen für Diplomatie. Deutschlands Politiker sollten verhandeln! Das ist die Botschaft! Als ich ihr das in ihr Handy diktierte und sie der Übersetzung lauschte, erhielt ich ein nachdenkliches Zustimmen und wir drückten uns anschließend. Ich verabschiedete mich und widmete mich wieder der Kundgebung.

Das Ende eines schönen Tages

Mittlerweile setzte die Dämmerung ein und die ersten Teilnehmer verließen das Treffen. Ich unterhielt mich noch etwas mit dem Ein oder Anderen, verteilte ein paar Visitenkarten und ging dann auch meiner Wege.

Einige hundert Menschen trafen sich hier an diesem Samstagnachmittag. Ihre Botschaft war Frieden. Es war ein leiser Appell, den die Menschen unserer Politik und dem Zeitgeist zuriefen. Wahrscheinlich bleibt er ungehört, aber dennoch möchte ich ihnen hiermit etwas Hoffnung geben. Ihnen mitteilen, dass es durchaus Seelen gibt, die ihnen zuhören und verstehen, was sie fühlen. Sicher nicht heute, aber irgendwann in ferner Zukunft wird es vielleicht eine bessere Zeit geben und die Menschen dort, sollen wissen, wer für Diplomatie und Frieden stand.

Dies ist eine Erinnerung.

Vergangenheit und Zukunft

Einsicht

Da liegt es nun, das vergangene Jahr. Etwas mitleidig betrachte ich es. Ungläubig, ja fast paralysiert schaue ich es an und scheine es immer noch nicht zu fassen, was es mit uns gemacht hat. Ich möchte mich schütteln, mich besinnen und einfach weitergehen, aber ich kann nicht. Unnötig, all die Dinge zu kommentieren, die uns tagtäglich um den gesunden Menschenverstand geschleudert worden sind. Ein Wunder, dass die meisten Menschen, die dem in irgendeiner Weise entgegentraten, überhaupt noch bei klarem Verstand sind oder die Energie aufbringen, weiter zu machen. Nunja, es gibt Ausnahmen. Einige dieser Ausnahmen wurden sogar ins Gefängnis gesteckt.

Und ich? Nun, ich schwanke permanent. Mal möchte ich gegen das Unausweichliche ankämpfen und dann wiederrum betrachte ich uns von außen und muss betreten das Haupt senken. Sagen:, “Aufhören! Es geht nicht so – nicht mehr! Niemand hört mehr zu!” Wäre es vielleicht klüger, sich eine Weile bedeckt zu halten? Wäre es nicht besser, sich geschlossen zurückzuziehen und abzuwarten, bis diejenigen, die uns als Querulanten und Nörgler betitulieren, selbst erkennen, dass wir gar nicht so falsch lagen mit unseren bedrohlichen Annahmen? Es scheint mir jedenfalls eine überlegenswerte Option zu sein.

Wenn ich mir vor Augen halte, was wir gemeinsam auf die Beine gestellt haben, welche Energie wir aufbrachten, um dem Unrecht etwas entgegenzusetzen, dann kann man schon stolz darauf sein, denn dadurch entstand soetwas wie Hoffnung. Hoffnung, dass wir unsere Mitmenschen erreichen. Dass die Anliegen Gehör finden bei Ihnen und dass Sie sich uns anschließen. Doch leider ist nichts geschehen. Unsere Argumente wurden nicht gehört, im Gegenteil, sie wurden stets verachtet und verlacht, bis heute. Trotzdem sich die gesellschaftliche Lage spürbar für die Allermeisten verändert hat, reichte es nicht aus, sie zum Mitmachen zu bewegen. Schade, denn nur mit ihnen gemeinsam hätten wir etwas bewegen können. Nun finde ich Spaltung, Missgunst und den Schritt in die Bedeutungslosigkeit vor.

Was nützt es auch, immer und immer wieder den Ist-Zustand zu kommentieren und sich die alltäglichen Unglaublichkeiten gegenseitig hin und her zu schicken? Wem soll das etwas nützen außer, dass es uns nur noch mehr in Rage verfallen lässt? Ja, ich weiß, was das WEF vorhat. Wahrscheinlich leben wir tatsächlich in einer anderen Welt als die Meisten. Dann soll es so sein. Ich für meinen Teil, habe meinen Frieden damit gemacht und dokumentiere weiterhin den, aus meiner Sicht, vorsätzlichen Verfall dieser Gesellschaft und versuche Brücken zu bauen, in der Hoffnung, dass sich doch am Ende alles zum Guten entwickeln wird. Ich versuche es jedenfalls auf meine Weise.

Meiner Leidenschaft, der Fotografie bin ich jedenfalls treu geblieben und habe viele Augenblicke festgehalten im Laufe dieses Jahres. Zeit, die Erfahrungen noch einmal Revue passieren zu lassen.

Der Fels in der Brandung

Mein erstes großes Projekt im vergangen Jahr fand an einem kalten Februartag in der Nähe von Berlin statt. Erneut besuchte ich Manuel, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Paart MC. Schon einmal widmete ich mich seiner Kunst und verfasste einen Artikel über ihn. Diesmal jedoch sollte es noch etwas mehr sein als nur reine Fotos und wir beschlossen, uns an ein Musikvideo zu wagen. Wie es dazu kam, was daraus entstand und ob es uns am Ende gefallen hat, was wir da fabrizierten, kann man in diesem Artikel erfahren.

Das Ende der Geduld

Mein nächster Artikel handelte von den Wittenberger Spaziergängen. Ich hoffte damit, den negativen Berichten etwas entgegensetzen zu können. Meine Erfahrungen waren wirklich schön. Zu dieser Zeit herrschte eine unbeschreiblich positive Atmosphäre auf der Straße. Man konnte den Aufbruch förmlich spüren. All diese Menschen mit samt ihren Ambitionen waren der Ansporn, etwas zurück zu geben und ihnen ein Andenken zu widmen. Ich verfasste also nicht nur diesen Artikel mit vielen Momentaufnahmen, sondern beschloss, auch ein Video unter dem Titel “Zeitzeugen”, zu veröffentlichen.

Alles was bleibt

Im Sommer des Jahres ging ich ein wenig in mich und sinnierte über das Vergangene. Ich betrachtete unser Tun und unser Sein als Ganzes und ließ meinen Gedanken freien Lauf. Einigen schien ich aus der Seele zu sprechen, denn ich erhielt viele Rückmeldungen auf unterschiedlichsten Wegen. Ich schrieb über Sinn und Antrieb, über meine Einsichten und weshalb ich tue, was ich tue. Es war ein sehr persönlicher Artikel, der viel Gehör fand. Neben dem Rubikon, hielt ihn auch Gunnar Kaiser für erwähenswert, was mich wirklich sehr gefreut hat.

Scharfe Schwerter

Im September traf ich den Künstler Martin Sprave, der hier in Wittenberg seine Kunst zur Schau stellte. Durch den Tipp eines Freundes erfuhr ich, dass er auf dem Marktplatz seine Werke ausstellte und sah mich sofort gezwungen, diese politischen Monumente fotografisch zu verewigen. Auch ihm widmete ich einen Artikel, der den Weg in mein Lieblingsmagazin Rubikon schaffte.

Die Verurteilten

Zu Guter Letzt in diesem Jahr, verfasste ich einen Artikel über den geschichtsträchtigen Reformationstag in Wittenberg, der zum Anlass genommen wurde, den Unmut gegen die Regierung in Form einer Demonstration zu veranstalten. Viele tausend Menschen sind aus ganz Deutschland gekommen und haben sich dem Protest angeschlossen. Trotz enormer Widrigkeiten, haben die Veranstalter es geschafft, ein imposantes Ereignis zu realisieren. Auch diesen Tag hielt ich in einem Artikel fest, den Mr. Dax. Dirk Müller freundlicherweise auf seiner Chaskursseite teilte.

Was uns erwartet

Was wird Sie uns bringen, die Zukunft? Wird die Gerechtigkeit triumphieren? Wird es unseren Mitmenschen wie Schuppen von den Augen fallen und werden sie realisieren, dass wir nicht ihre Feinde sind? Oder muss erst alles zusammenbrechen und das Elend vorherrschen, bis sich die Gesellschaft wieder besinnt und erkennt, was ihnen angetan wurde? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, die Hoffnung stirbt nicht zuletzt, sie stirbt niemals.

Die Verurteilten

Kein Tag, wie jeder andere

Am 31. Oktober war es wieder so weit. Wie in jedem Jahr, wird das einschneidende Ereignis aus dem Jahre 1517 in der Wiege der Reformation, meiner Heimat Wittenberg, ausgiebig gefeiert. Viele tausend Menschen besuchen das mittelalterliche Fest und flanieren durch die herrliche Innenstadt, die von den Schrecken des zweiten Weltkrieges weitgehend verschont blieb. Unbekümmert und vergnügt laufen sie durch die schmalen Gassen, bestaunen die mächtigen Statuen längst vergangener Zeiten und füllen ihre Bäuche mit alten Weinen und köstlichen Speisen. Sie lachen und sind vergnügt. Fernab des stressigen Alltags, vergessen sie und genießen ihre kostbare Zeit. Wer will es ihnen verdenken? Ich schaue sie an, schließe zeitweise die Augen und lächle. Ein warmes Gefühl umschlingt meinen Körper und ich beginne, mich kurzfristig an alte, unbeschwerte Zeiten zu erinnern. Es fühlt sich an, wie in einem Traum, aus dem man nicht mehr aufwachen möchte. Ich realisiere, wie ich es ihnen aus tiefstem Herzen gönne.

Und doch möchte ich sie berühren, sie wachrütteln, ihnen meine brennenden Intentionen mitteilen, sie warnen und vor Augen halten, welch finstere Seelen uns alle bedrohen. Aber ich weiß, die Worte würden verhallen, sie würden ein schallendes Gelächter hervorrufen oder einen mitleidigen Blick im besten Falle. Es verharrt ein sanfter Schmerz in meiner Brust und Traurigkeit umgibt mich. Nachdenklichkeit macht sich breit. Meine Gedanken irren wild umher und ich frage mich erneut, bin ich es vielleicht, der die Dinge falsch interpretiert? Täuscht mich mein Gefühl so sehr? Nur die Zukunft wird Antworten darauf geben können.

Ein seichter Auftakt

Parallel zum traditionellen Fest fand diesmal ein weiteres Ereignis in Wittenberg statt, die Reformation 2.0, wie es die Organisatoren nannten. Eine Zusammenkunft kritischer Geister, die die Symbolkraft dieses historischen Tages nutzen wollten, um ihrerseits eine Botschaft in die Welt zu senden. Gewaltige Fußstapfen in die sie da treten wollen. Es war ganz sicher eine riesige Kraftanstrengung, solch ein Event aus eigener Tasche zu stemmen. Dafür gebührt den Veranstaltern größten Respekt.

Nachdem ich erste Eindrücke des klassischen Reformationstages an diesem sonnigen Herbsttag einsog, wanderte ich mit meinem 50 mm Objektiv bewaffnet, Richtung Amselgrund, den Ort des Geschehens, an dem die Veranstaltung gegen dreizehn Uhr beginnen sollte. Viele Menschen waren noch nicht vor Ort. Der Treffpunkt schien auch nicht leicht zu finden zu sein für Außenstehende. Für jedes Navi war der Amselgrund ein Fremdwort und Parkplätze an solch einem Tag zu finden, grenzt auch an ein Wunder.

Ich tauchte in die relativ überschaubare Menge ein und gönnte mir erst einmal einen köstlichen Kaffee, den die Veranstalter gegen eine kleine Spende austeilten. Hier bekam ich auch zu hören, dass es unter Anderem verboten war, Speisen anzubieten. Verrückt, dachte ich mir. Wer weiß schon, was sich die Stadt dabei gedacht hat, solch eine Auflage zu erteilen. Hindernisse anderer Art waren die beschmierten Betonböden, auf denen im Vorfeld die Verachtung gegenüber dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebracht worden ist, sowie verklebte Türschlösser an den Toiletten.

Ich lief ein wenig umher und erlebte eine friedliche Stimmung. Entspannt setzte ich mich ins Gras und genoss das langsame Anwachsen der Veranstaltung. Es waren einige Kameras zu sehen, ganz offensichtlich nahm man auch außerhalb unserer Stadtgrenzen dieses Ereignis war. So kam es auch, dass ich Jens Zimmer traf, der für “InfraRot” arbeitet und dessen Podcasts ich mir regelmäßig anschaue. Wir unterhielten uns kurz, schoss danach noch ein Foto von ihm und ging dann wieder meiner Wege. Inzwischen trafen mehr und mehr Menschen ein und der Amselgrund füllte sich zusehends.

Bühne frei

Schließlich wurde die “Reformation 2.0” offiziell eröffnet und einer der Organisatoren begrüßte die Menschen. Nach seinen einleitenden Worten begann die Kundgebung mit einem Musikbeitrag von Estéban Cortez, der wirklich melodische Stücke präsentierte, die zum Mitwippen und Nachdenken anregten. Ein weiterer musikalischer Gast war “Krähe”, ein Musiker aus dem direkten Umland, dessen Lieder sich durch klare Statements, eingängigen Melodien und einer rauen Stimme auszeichnen. Er appellierte unter Anderem an die Redakteure, endlich unabhängigen Journalismus zu betreiben, auch sie haben Kinder und zerstören durch ihre einseitige Berichterstattung die Demokratie. Sie lebt von Beteiligung sagt er. Ebenso wie Luther damals, kann er nicht anders, denn er möchte später einmal nicht sagen müssen, er habe es gewusst und nichts dagegen getan.

Es gab viele weitere Redner auf der Bühne des Wittenberger Amselgrunds. Ihre Inhalte alle zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen. Zusammengefasst ging es um Kritik an der Regierung und ihrem Handeln. Doch es gab auch konstruktive Vorschläge, die ich von Marcus Fuchs aufschnappte, einem Organisator der Demonstrationen in Dresden, der die Menschen dazu aufforderte, ihre Differenzen bei Seite zu legen und sich stattdessen auf die Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Beispiele dafür wären für ihn, der Erhalt des Bargeldes, politisches Fehlverhalten ahnden, sowie bedingungslos friedliche Außen- und sinnvolle Energiepolitik. Punkte, die ich gänzlich unterstreichen würde.

Der Zug setzt sich in Bewegung

Inzwischen sind Stunden vergangen. Nächster Punkt im Programm war ein großer Demonstrationszug durch die Stadt, der in der Abschlusszeremonie, einer weiteren Bühne am Luthergarten, enden sollte. Es war ein wirklich langer Weg. Mit den Trommlern an der Seite, setzte sich der Zug bei nun mittlerweile diesigem Wetter in Bewegung. Das war ein toller Moment und man konnte sich nun ein besseres Bild von der Masse an Menschen machen. Ganze sieben Minuten nahm ich mit meinem Handy auf, in denen unentwegt Menschen vorbeizogen. Im Laufe des friedlichen Protestzugs haben sich immer mehr Leute angeschlossen. Die Stimmung war super. Ich beschloss, eine Abkürzung zu nehmen und auf den Tross zu warten.

Schließlich war die Sonne verschwunden und die mächtigen Scheinwerfer und Leinwände der zweiten Bühne erhellten den Abend imposant. Als die Masse im Luthergarten eintraf, war das ein berührender Moment, denn ihre Glücksgefühle waren ihnen deutlich anzusehen und steckten an.

Abschluss

Die Masse war versammelt und lauschte den letzten Beiträgen, die auch hier mit wirklich tollen Musikbeilagen untermalt wurden. Die Sängerin “Rairda” nahm die Zuhörer mit auf eine sphärische Reise. Diese Liveperformance ging unter die Haut. Anschließend sprach ein Pfarrer, der die Teilnehmer vom ehemaligen ZDF Moderator Peter Hahne herzlich grüßen ließ, bevor Jürgen Elsässer an das Mikrofon trat. Sein Fokus lag auf NATO, amerikanischer Außenpolitik und den Deutschen. Inhaltlich nichts Neues, aber dennoch wichtig, solche heißen Themen immer wieder anzusprechen und sich eben nicht davor zu verstecken. Nach seinem Beitrag war ich dann am Ende und lief nach Hause.

Platt, die Klamotten in die Ecke geschmissen, wate ich an meinen Rechner und überspiele ganze 15 GB mit 442 Bildern und Videos. Gerade will ich die ersten Zeilen schreiben, da läuft im Hintergrund eine Melodie, die ich seit langer Zeit nicht mehr zu Ohren bekam und die mich seltsam nachdenklich stimmte. Sie ließ mich den Abend noch einmal genussvoll Revue passieren. Ich dachte an den Mut, den all die Menschen auf der Bühne und vor Ort aufbringen, nur um für Selbstverständlichkeiten einzutreten, die man bisher niemals in Frage gestellt hätte. Das Ausmaß der Absurdität ist mittlerweile so grotesk, dass einem teilweise die Worte fehlen und man gar nicht mehr weiß, wo man ansetzen soll, wenn sich doch einmal ein interessierter Mensch aus der Herde herauswagt und sein Interesse bekundet.

Die Verurteilten

Am heutigen Tag begegnete ich einigen verfemten Personen des öffentlichen Lebens persönlich. Ihnen allen hat die mediale Berichterstattung offenkundig nicht gut getan. Sie sorgten aktiv dafür, dass diese Menschen, die ebenso ein gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft sind, kein Gehör in der breiten Öffentlichkeit fanden und immer noch finden. Einer der verbrämten, der verbrannten und geächteten, ist Dr. Heinrich Fiechtner. Ein Mann, den viele Mitmenschen augenscheinlich als das personifizierte Böse ansehen. Ich selbst bemerkte bei seiner energischen Rede, welch rhetorische Kraft in ihm steckt und wie er, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit voller Inbrunst seine Überzeugungen mit der Menge teilte. Auch er ist ein Verurteilter in den Augen Vieler.

Er und all die anderen, die sich für ein friedliches und faires Miteinander einsetzen, sind schuldig. Die vermeintliche Mehrheit hat sich entschieden sie zu verurteilen. Sie sind schuldig, wenn es heißt, sich den bewusst herbeigeführten Fehlentwicklungen entgegen zu stellen und laut Nein zu sagen, wenn Ungerechtigkeiten Realität werden. Schuldig, wenn es heißt, für ein echtes demokratisches Miteinander zu sein. Schuldig, bei Verlautbarung, für Frieden einzustehen mit allen Völkern dieser Erde.

Egal, ob der eine laut und der andere leise agiert, wir alle sollten froh darüber sein, dass es diese Menschen gibt, die sich auf unterschiedlichstem Wege für Freiheit und Frieden einsetzen, egal wie stark der Gegenwind ist. Allen Verurteilten danke ich von ganzem Herzen und sende noch einige mutmachende Eindrücke dieses einzigartigen Tages.