Vergangene Woche entdeckte ich einen Flyer mit einer Friedenstaube darauf. Dort stand geschrieben: “Menschenkette. Protest gegen die Panzerlieferung. Frieden, Heizung, Brot statt Waffen, Krieg und Tod.” Erfrischend, dachte ich mir. Mal etwas anderes als die Montagsspaziergänge, die zwar immer noch in Wittenberg stattfinden, aber leider bei vielen Menschen keine positiven Assoziationen mehr hervorrufen. Corona war der Auslöser für das wöchentlich stattfindende Ereignis. Nachdem dieses Thema in den Hintergrund gerückt ist, gab es keinen Grund mehr für viele, montags auf die Straße zu gehen. Der Spaziergang aber lebt weiter. Nur wofür er nun noch steht, wissen die meisten Menschen nicht. Da ist ein Aufruf zu einem ganz konkreten Thema, eine gute Alternative.
Eindrücke
Die Kamera im Gepäck, düste ich bei herrlichstem Sonnenschein gen Treffpunkt, der an einer viel befahrenen Straße unweit des Stadtzentrums lag. Das Auto geparkt, ein paar Hände geschüttelt, fing ich an, den Auslöser zu betätigen und meine Eindrücke festzuhalten. Es herrschte eine angenehme Stimmung. Die Menschen waren trotz des freudlosen Themas, heiter und herzlich. Sie lächelten in meine Kamera und ließen sich ganz entspannt ablichten. Sie schwenkten ihre Friedensfahnen und winkten den Autofahrern zu, die das Treiben unterschiedlich aufnahmen. Doch meistens waren sie erfreut und drückten ihre Zustimmung durch lautes Hupen aus.
Begegnung
Als ich einige Aufnahmen im Kasten hatte, begab ich mich auf die andere Straßenseite, um von dort aus alternative Perspektiven aufzunehmen. Gerade positionierte ich mich, als mir jemand auf die Schulter klopfte und mich auf Russisch ansprach. Eine ältere Dame und ihr Mann (wahrscheinlich) wollten offensichtlich wissen, was hier los war. Die Frau begann in ihr Handy zu sprechen, und ließ sie per Google Translator ins Deutsche übersetzen. Schnell fand ich heraus, dass es eine ukrainische Familie aus Cherson war, deren Haus unter Beschuss stand und ihnen nichts mehr geblieben sei. Ich drückte mein Bedauern aus und konnte nachvollziehen, dass die Beiden die Situation ganz anders beurteilen.
Immer wieder tauschten wir unsere Standpunkte aus und reichten das Handy hin und her. In der Kürze der Zeit ließ sich natürlich kein tiefgründiges Gespräch führen. Dennoch versuchte ich ihnen zu vermitteln, dass wir als Deutsche alles dafür tun sollten, den Frieden zwischen den verfeindeten Parteien anzustreben und nicht permanent die Dinge weiter eskalieren zu lassen. Wir sollten keine Waffen und Panzer senden. Die Menschen hier stehen für Diplomatie. Deutschlands Politiker sollten verhandeln! Das ist die Botschaft! Als ich ihr das in ihr Handy diktierte und sie der Übersetzung lauschte, erhielt ich ein nachdenkliches Zustimmen und wir drückten uns anschließend. Ich verabschiedete mich und widmete mich wieder der Kundgebung.
Das Ende eines schönen Tages
Mittlerweile setzte die Dämmerung ein und die ersten Teilnehmer verließen das Treffen. Ich unterhielt mich noch etwas mit dem Ein oder Anderen, verteilte ein paar Visitenkarten und ging dann auch meiner Wege.
Einige hundert Menschen trafen sich hier an diesem Samstagnachmittag. Ihre Botschaft war Frieden. Es war ein leiser Appell, den die Menschen unserer Politik und dem Zeitgeist zuriefen. Wahrscheinlich bleibt er ungehört, aber dennoch möchte ich ihnen hiermit etwas Hoffnung geben. Ihnen mitteilen, dass es durchaus Seelen gibt, die ihnen zuhören und verstehen, was sie fühlen. Sicher nicht heute, aber irgendwann in ferner Zukunft wird es vielleicht eine bessere Zeit geben und die Menschen dort, sollen wissen, wer für Diplomatie und Frieden stand.
Am 31. Oktober war es wieder so weit. Wie in jedem Jahr, wird das einschneidende Ereignis aus dem Jahre 1517 in der Wiege der Reformation, meiner Heimat Wittenberg, ausgiebig gefeiert. Viele tausend Menschen besuchen das mittelalterliche Fest und flanieren durch die herrliche Innenstadt, die von den Schrecken des zweiten Weltkrieges weitgehend verschont blieb. Unbekümmert und vergnügt laufen sie durch die schmalen Gassen, bestaunen die mächtigen Statuen längst vergangener Zeiten und füllen ihre Bäuche mit alten Weinen und köstlichen Speisen. Sie lachen und sind vergnügt. Fernab des stressigen Alltags, vergessen sie und genießen ihre kostbare Zeit. Wer will es ihnen verdenken? Ich schaue sie an, schließe zeitweise die Augen und lächle. Ein warmes Gefühl umschlingt meinen Körper und ich beginne, mich kurzfristig an alte, unbeschwerte Zeiten zu erinnern. Es fühlt sich an, wie in einem Traum, aus dem man nicht mehr aufwachen möchte. Ich realisiere, wie ich es ihnen aus tiefstem Herzen gönne.
Und doch möchte ich sie berühren, sie wachrütteln, ihnen meine brennenden Intentionen mitteilen, sie warnen und vor Augen halten, welch finstere Seelen uns alle bedrohen. Aber ich weiß, die Worte würden verhallen, sie würden ein schallendes Gelächter hervorrufen oder einen mitleidigen Blick im besten Falle. Es verharrt ein sanfter Schmerz in meiner Brust und Traurigkeit umgibt mich. Nachdenklichkeit macht sich breit. Meine Gedanken irren wild umher und ich frage mich erneut, bin ich es vielleicht, der die Dinge falsch interpretiert? Täuscht mich mein Gefühl so sehr? Nur die Zukunft wird Antworten darauf geben können.
Ein seichter Auftakt
Parallel zum traditionellen Fest fand diesmal ein weiteres Ereignis in Wittenberg statt, die Reformation 2.0, wie es die Organisatoren nannten. Eine Zusammenkunft kritischer Geister, die die Symbolkraft dieses historischen Tages nutzen wollten, um ihrerseits eine Botschaft in die Welt zu senden. Gewaltige Fußstapfen in die sie da treten wollen. Es war ganz sicher eine riesige Kraftanstrengung, solch ein Event aus eigener Tasche zu stemmen. Dafür gebührt den Veranstaltern größten Respekt.
Nachdem ich erste Eindrücke des klassischen Reformationstages an diesem sonnigen Herbsttag einsog, wanderte ich mit meinem 50 mm Objektiv bewaffnet, Richtung Amselgrund, den Ort des Geschehens, an dem die Veranstaltung gegen dreizehn Uhr beginnen sollte. Viele Menschen waren noch nicht vor Ort. Der Treffpunkt schien auch nicht leicht zu finden zu sein für Außenstehende. Für jedes Navi war der Amselgrund ein Fremdwort und Parkplätze an solch einem Tag zu finden, grenzt auch an ein Wunder.
Ich tauchte in die relativ überschaubare Menge ein und gönnte mir erst einmal einen köstlichen Kaffee, den die Veranstalter gegen eine kleine Spende austeilten. Hier bekam ich auch zu hören, dass es unter Anderem verboten war, Speisen anzubieten. Verrückt, dachte ich mir. Wer weiß schon, was sich die Stadt dabei gedacht hat, solch eine Auflage zu erteilen. Hindernisse anderer Art waren die beschmierten Betonböden, auf denen im Vorfeld die Verachtung gegenüber dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebracht worden ist, sowie verklebte Türschlösser an den Toiletten.
Ich lief ein wenig umher und erlebte eine friedliche Stimmung. Entspannt setzte ich mich ins Gras und genoss das langsame Anwachsen der Veranstaltung. Es waren einige Kameras zu sehen, ganz offensichtlich nahm man auch außerhalb unserer Stadtgrenzen dieses Ereignis war. So kam es auch, dass ich Jens Zimmer traf, der für “InfraRot” arbeitet und dessen Podcasts ich mir regelmäßig anschaue. Wir unterhielten uns kurz, schoss danach noch ein Foto von ihm und ging dann wieder meiner Wege. Inzwischen trafen mehr und mehr Menschen ein und der Amselgrund füllte sich zusehends.
Bühne frei
Schließlich wurde die “Reformation 2.0” offiziell eröffnet und einer der Organisatoren begrüßte die Menschen. Nach seinen einleitenden Worten begann die Kundgebung mit einem Musikbeitrag von Estéban Cortez, der wirklich melodische Stücke präsentierte, die zum Mitwippen und Nachdenken anregten. Ein weiterer musikalischer Gast war “Krähe”, ein Musiker aus dem direkten Umland, dessen Lieder sich durch klare Statements, eingängigen Melodien und einer rauen Stimme auszeichnen. Er appellierte unter Anderem an die Redakteure, endlich unabhängigen Journalismus zu betreiben, auch sie haben Kinder und zerstören durch ihre einseitige Berichterstattung die Demokratie. Sie lebt von Beteiligung sagt er. Ebenso wie Luther damals, kann er nicht anders, denn er möchte später einmal nicht sagen müssen, er habe es gewusst und nichts dagegen getan.
Es gab viele weitere Redner auf der Bühne des Wittenberger Amselgrunds. Ihre Inhalte alle zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen. Zusammengefasst ging es um Kritik an der Regierung und ihrem Handeln. Doch es gab auch konstruktive Vorschläge, die ich von Marcus Fuchs aufschnappte, einem Organisator der Demonstrationen in Dresden, der die Menschen dazu aufforderte, ihre Differenzen bei Seite zu legen und sich stattdessen auf die Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Beispiele dafür wären für ihn, der Erhalt des Bargeldes, politisches Fehlverhalten ahnden, sowie bedingungslos friedliche Außen- und sinnvolle Energiepolitik. Punkte, die ich gänzlich unterstreichen würde.
Der Zug setzt sich in Bewegung
Inzwischen sind Stunden vergangen. Nächster Punkt im Programm war ein großer Demonstrationszug durch die Stadt, der in der Abschlusszeremonie, einer weiteren Bühne am Luthergarten, enden sollte. Es war ein wirklich langer Weg. Mit den Trommlern an der Seite, setzte sich der Zug bei nun mittlerweile diesigem Wetter in Bewegung. Das war ein toller Moment und man konnte sich nun ein besseres Bild von der Masse an Menschen machen. Ganze sieben Minuten nahm ich mit meinem Handy auf, in denen unentwegt Menschen vorbeizogen. Im Laufe des friedlichen Protestzugs haben sich immer mehr Leute angeschlossen. Die Stimmung war super. Ich beschloss, eine Abkürzung zu nehmen und auf den Tross zu warten.
Schließlich war die Sonne verschwunden und die mächtigen Scheinwerfer und Leinwände der zweiten Bühne erhellten den Abend imposant. Als die Masse im Luthergarten eintraf, war das ein berührender Moment, denn ihre Glücksgefühle waren ihnen deutlich anzusehen und steckten an.
Abschluss
Die Masse war versammelt und lauschte den letzten Beiträgen, die auch hier mit wirklich tollen Musikbeilagen untermalt wurden. Die Sängerin “Rairda” nahm die Zuhörer mit auf eine sphärische Reise. Diese Liveperformance ging unter die Haut. Anschließend sprach ein Pfarrer, der die Teilnehmer vom ehemaligen ZDF Moderator Peter Hahne herzlich grüßen ließ, bevor Jürgen Elsässer an das Mikrofon trat. Sein Fokus lag auf NATO, amerikanischer Außenpolitik und den Deutschen. Inhaltlich nichts Neues, aber dennoch wichtig, solche heißen Themen immer wieder anzusprechen und sich eben nicht davor zu verstecken. Nach seinem Beitrag war ich dann am Ende und lief nach Hause.
Platt, die Klamotten in die Ecke geschmissen, wate ich an meinen Rechner und überspiele ganze 15 GB mit 442 Bildern und Videos. Gerade will ich die ersten Zeilen schreiben, da läuft im Hintergrund eine Melodie, die ich seit langer Zeit nicht mehr zu Ohren bekam und die mich seltsam nachdenklich stimmte. Sie ließ mich den Abend noch einmal genussvoll Revue passieren. Ich dachte an den Mut, den all die Menschen auf der Bühne und vor Ort aufbringen, nur um für Selbstverständlichkeiten einzutreten, die man bisher niemals in Frage gestellt hätte. Das Ausmaß der Absurdität ist mittlerweile so grotesk, dass einem teilweise die Worte fehlen und man gar nicht mehr weiß, wo man ansetzen soll, wenn sich doch einmal ein interessierter Mensch aus der Herde herauswagt und sein Interesse bekundet.
Die Verurteilten
Am heutigen Tag begegnete ich einigen verfemten Personen des öffentlichen Lebens persönlich. Ihnen allen hat die mediale Berichterstattung offenkundig nicht gut getan. Sie sorgten aktiv dafür, dass diese Menschen, die ebenso ein gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft sind, kein Gehör in der breiten Öffentlichkeit fanden und immer noch finden. Einer der verbrämten, der verbrannten und geächteten, ist Dr. Heinrich Fiechtner. Ein Mann, den viele Mitmenschen augenscheinlich als das personifizierte Böse ansehen. Ich selbst bemerkte bei seiner energischen Rede, welch rhetorische Kraft in ihm steckt und wie er, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit voller Inbrunst seine Überzeugungen mit der Menge teilte. Auch er ist ein Verurteilter in den Augen Vieler.
Er und all die anderen, die sich für ein friedliches und faires Miteinander einsetzen, sind schuldig. Die vermeintliche Mehrheit hat sich entschieden sie zu verurteilen. Sie sind schuldig, wenn es heißt, sich den bewusst herbeigeführten Fehlentwicklungen entgegen zu stellen und laut Nein zu sagen, wenn Ungerechtigkeiten Realität werden. Schuldig, wenn es heißt, für ein echtes demokratisches Miteinander zu sein. Schuldig, bei Verlautbarung, für Frieden einzustehen mit allen Völkern dieser Erde.
Egal, ob der eine laut und der andere leise agiert, wir alle sollten froh darüber sein, dass es diese Menschen gibt, die sich auf unterschiedlichstem Wege für Freiheit und Frieden einsetzen, egal wie stark der Gegenwind ist. Allen Verurteilten danke ich von ganzem Herzen und sende noch einige mutmachende Eindrücke dieses einzigartigen Tages.
Schon immer beeinflusste mich Musik außergewöhnlich stark. Nichts kann eine Empfindung besser verkörpern. Deswegen schaffe ich es auch, Lieder in Dauerschleife zu hören, weil ich das jeweilige Gefühl immer und immer wieder erleben möchte. Momentan geht es mir so mit einem Lied von “The Anix”. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft es ununterbrochen und hilft mir dabei, die richtigen Worte zu finden, um meinen Gedanken den optimalen Ausdruck zu verleihen. Es nennt sich “Pendulum” und besitzt nur zwei Zeilen, die sich stetig wiederholen: “like a pendulum, free until it stops“.
Es beinhaltet all das Unfassbare, was mich umgibt in komprimierter Form. Die Gewissheit, dass mit der Welt etwas nicht in Ordnung ist, schwindet für einen Moment. Es regt sich eine Sehnsucht nach einer besseren Welt, einer Welt, die frei ist, in der die Menschen in Frieden miteinander leben. Eine Welt, in der man unbeschwert Mensch sein kann und in der man die Leichtigkeit des Seins spürt. Eine echte Traumwelt eben. Vor Kurzem traf ich Menschen, die mir genau das vermittelten.
Johanna & Magdalena
Fremde, die zu Freunden wurden
Es gibt Momente im Leben, die einem auf ewig in Erinnerung bleiben. Zufällige Begegnungen, bei denen man unweigerlich spürt, dass sie einem wohlgesonnen sind, auch wenn man es nicht sofort rational begründen kann. Es sind die Augenblicke, die das Leben so besonders machen. Manchmal spürt man einfach, dass man aus dem selben Holz geschnitzt ist, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben. So erging es mir bei den Ackerpiraten, eine wunderbare Großfamilie, die ich durch einen glücklichen Zufall treffen durfte und ganz in der Nähe meiner Heimatstadt ihr inspirierendes und freies Leben führt.
Meine Motivation
Schon seit einiger Zeit spiele ich mit dem Gedanken, meinen Fokus auf das Leben in der momentanen Situation zu legen. Menschen festzuhalten, die etwas über sich zu erzählen haben, die davon berichten, welchen Einfluss die aktuelle Situation auf ihr Leben nimmt. Ich möchte diese Menschen begleiten und ihre Geschichte bildlich erzählen, so dass sie auch Andere nachempfinden können. In den Ackerpiraten sah ich einen perfekten Einstieg für mein Vorhaben.
Eingang der Ackerpiraten
Das Leben der Ackerpiraten
Wie immer, machte ich mich ohne Vorbereitung los und ließ mich treiben. Es war ein schöner Morgen. Einige Wolken begleiteten mich am Himmel, was immer gute Voraussetzungen für ein paar Fotos sind. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich am Ende ganze 1.850 Mal auf den Auslöser drücken würde. Endlich war ich da. Ich klingelte und wurde aufs Herzlichste begrüßt. Ich wurde durch den großen Saal in die Küche geleitet, wo ich vom Rest der Bewohner freundlichst empfangen wurde. Ich fühlte mich sofort zu Hause.
Die Ackerpiraten, das sind Noreen, Henning, Othilia, Felix, Johanna, Magdalena, Antonia, Dennis, Kevin und Jean. Gerade wurde das Frühstück vorbereitet, das Meiste natürlich selbst gemacht, sogar das Brot. Es herrschte eine entspannte und äußerst gemeinschaftliche Atmosphäre. Ich lernte viel. Unmöglich dies alles zu behalten, doch von dem, was ich mir merkte, will ich berichten.
Gemeinsames Frühstück
Die Ackerpiraten sind ein Bio-Landwirtschaftsbetrieb. Alles, was man zum Leben braucht, bauen sie selber an. Sie haben Ziegen, die sie ernähren, sie besitzen ein riesiges Feld, was sie bewirtschaften und man findet so ziemlich jedes einheimische Gemüse, was man sich vorstellen kann. Wolf Dieter Storl wäre sicher beeindruckt! Hinzu kommen die schier unglaublichen Fähigkeiten und das Wissen aus vergangenen Zeiten.
Neben dem Brot, was sie selbst herstellen, halten sie sich sogar Bienen, die sie mit Honig versorgen. Die Ackerpiraten besitzen eine riesige Vorratskammer mit eingeweckten und fermentierten Leckereien, Einiges davon, durfte ich probieren. Wahrscheinlich war all das Know How in Sachen Anbau und Ernährung, auch der Grund dafür, dass sie als einer der wenigen landwirtschaftlichen Betriebe, von der Sarah Wiener Stiftung angeschrieben worden sind, die eine Kooperation mit ihnen anstrebte und schließlich auch umsetzte.
Als Pirat in Zeiten von Corona
Wir sprachen im Laufe des Tages über sehr viele Dinge. Selbstverständlich auch über Corona und wie es ihren Alltag beeinflusst. Das Thema Politik entdeckte die Familie erst vor circa zwei Jahren, vorher war sie nie Gesprächsgrundlage am Frühstückstisch. Die Ackerpiraten boten vor der Krise Kurse für Schüler aus der Umgebung an, die die Sarah Wiener Stiftung förderte. Hier wurden den Kindern verschiedenste Grundlagen der Ernährung und des Anbaus vermittelt. Ziel des Ganzen war es, die Kinder wieder an solche Ursprünge heranzuführen, dies gelang, in dem sie mit den Kleinen Brot backten, gemeinsam kochten, Gemüse im Garten pflückten oder sich mit den Tieren auf dem Hof beschäftigten.
Den Ackerpiraten ist es eine Herzensangelegenheit, ihr Wissen an die Kleinsten weiterzugeben. Was haben die Menschen früher gemacht, als es noch keinen Strom und kein Internet gab? Wie haben sie sich damals ernährt oder wie haben sie gelebt? Die Piraten möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, was es heißt, unabhängig zu sein und frei und Selbstbestimmt leben zu können. Seit Anfang vergangenen Jahres ist all das nicht mehr möglich.
Die kleine Elli
Doch es gibt auch Positives, was diese Situation mit sich brachte. Noreen, Mutter und offensichtliches Familienoberhaupt der Ackerpiraten, teilte mir mit einem Lächeln mit, dass trotz aller Widrigkeiten, das Gemeinschaftsgefühl stark gestiegen ist. Es hat die Familie noch viel mehr zusammengeschweißt, da niemand mehr zur Universität gehen muss und alle von zu Hause aus studieren können . Es gibt deutlich mehr fleißige Hände, die dieses Großprojekt stemmen und es bleibt eine Menge Zeit füreinander.
Ein nachhallender Tag geht zu Ende
In ihr Leben durfte ich einen ganzen Tag eintauchen und es fotografisch begleiten. Ich spürte die Freiheit, die Unbeschwertheit, die Gemeinschaft, die Aufrichtigkeit und echtes Herz. In Zeiten wie diesen, hege ich ganz besondere Dankbarkeit für solche Momente. Vielleicht inspirieren sie den Einen oder Anderen dazu, sich ebenfalls mit Menschen zu umgeben, die einen Gut tun, an statt permanent gegen etwas zu kämpfen.