Die Verurteilten

Kein Tag, wie jeder andere

Am 31. Oktober war es wieder so weit. Wie in jedem Jahr, wird das einschneidende Ereignis aus dem Jahre 1517 in der Wiege der Reformation, meiner Heimat Wittenberg, ausgiebig gefeiert. Viele tausend Menschen besuchen das mittelalterliche Fest und flanieren durch die herrliche Innenstadt, die von den Schrecken des zweiten Weltkrieges weitgehend verschont blieb. Unbekümmert und vergnügt laufen sie durch die schmalen Gassen, bestaunen die mächtigen Statuen längst vergangener Zeiten und füllen ihre Bäuche mit alten Weinen und köstlichen Speisen. Sie lachen und sind vergnügt. Fernab des stressigen Alltags, vergessen sie und genießen ihre kostbare Zeit. Wer will es ihnen verdenken? Ich schaue sie an, schließe zeitweise die Augen und lächle. Ein warmes Gefühl umschlingt meinen Körper und ich beginne, mich kurzfristig an alte, unbeschwerte Zeiten zu erinnern. Es fühlt sich an, wie in einem Traum, aus dem man nicht mehr aufwachen möchte. Ich realisiere, wie ich es ihnen aus tiefstem Herzen gönne.

Und doch möchte ich sie berühren, sie wachrütteln, ihnen meine brennenden Intentionen mitteilen, sie warnen und vor Augen halten, welch finstere Seelen uns alle bedrohen. Aber ich weiß, die Worte würden verhallen, sie würden ein schallendes Gelächter hervorrufen oder einen mitleidigen Blick im besten Falle. Es verharrt ein sanfter Schmerz in meiner Brust und Traurigkeit umgibt mich. Nachdenklichkeit macht sich breit. Meine Gedanken irren wild umher und ich frage mich erneut, bin ich es vielleicht, der die Dinge falsch interpretiert? Täuscht mich mein Gefühl so sehr? Nur die Zukunft wird Antworten darauf geben können.

Ein seichter Auftakt

Parallel zum traditionellen Fest fand diesmal ein weiteres Ereignis in Wittenberg statt, die Reformation 2.0, wie es die Organisatoren nannten. Eine Zusammenkunft kritischer Geister, die die Symbolkraft dieses historischen Tages nutzen wollten, um ihrerseits eine Botschaft in die Welt zu senden. Gewaltige Fußstapfen in die sie da treten wollen. Es war ganz sicher eine riesige Kraftanstrengung, solch ein Event aus eigener Tasche zu stemmen. Dafür gebührt den Veranstaltern größten Respekt.

Nachdem ich erste Eindrücke des klassischen Reformationstages an diesem sonnigen Herbsttag einsog, wanderte ich mit meinem 50 mm Objektiv bewaffnet, Richtung Amselgrund, den Ort des Geschehens, an dem die Veranstaltung gegen dreizehn Uhr beginnen sollte. Viele Menschen waren noch nicht vor Ort. Der Treffpunkt schien auch nicht leicht zu finden zu sein für Außenstehende. Für jedes Navi war der Amselgrund ein Fremdwort und Parkplätze an solch einem Tag zu finden, grenzt auch an ein Wunder.

Ich tauchte in die relativ überschaubare Menge ein und gönnte mir erst einmal einen köstlichen Kaffee, den die Veranstalter gegen eine kleine Spende austeilten. Hier bekam ich auch zu hören, dass es unter Anderem verboten war, Speisen anzubieten. Verrückt, dachte ich mir. Wer weiß schon, was sich die Stadt dabei gedacht hat, solch eine Auflage zu erteilen. Hindernisse anderer Art waren die beschmierten Betonböden, auf denen im Vorfeld die Verachtung gegenüber dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebracht worden ist, sowie verklebte Türschlösser an den Toiletten.

Ich lief ein wenig umher und erlebte eine friedliche Stimmung. Entspannt setzte ich mich ins Gras und genoss das langsame Anwachsen der Veranstaltung. Es waren einige Kameras zu sehen, ganz offensichtlich nahm man auch außerhalb unserer Stadtgrenzen dieses Ereignis war. So kam es auch, dass ich Jens Zimmer traf, der für “InfraRot” arbeitet und dessen Podcasts ich mir regelmäßig anschaue. Wir unterhielten uns kurz, schoss danach noch ein Foto von ihm und ging dann wieder meiner Wege. Inzwischen trafen mehr und mehr Menschen ein und der Amselgrund füllte sich zusehends.

Bühne frei

Schließlich wurde die “Reformation 2.0” offiziell eröffnet und einer der Organisatoren begrüßte die Menschen. Nach seinen einleitenden Worten begann die Kundgebung mit einem Musikbeitrag von Estéban Cortez, der wirklich melodische Stücke präsentierte, die zum Mitwippen und Nachdenken anregten. Ein weiterer musikalischer Gast war “Krähe”, ein Musiker aus dem direkten Umland, dessen Lieder sich durch klare Statements, eingängigen Melodien und einer rauen Stimme auszeichnen. Er appellierte unter Anderem an die Redakteure, endlich unabhängigen Journalismus zu betreiben, auch sie haben Kinder und zerstören durch ihre einseitige Berichterstattung die Demokratie. Sie lebt von Beteiligung sagt er. Ebenso wie Luther damals, kann er nicht anders, denn er möchte später einmal nicht sagen müssen, er habe es gewusst und nichts dagegen getan.

Es gab viele weitere Redner auf der Bühne des Wittenberger Amselgrunds. Ihre Inhalte alle zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen. Zusammengefasst ging es um Kritik an der Regierung und ihrem Handeln. Doch es gab auch konstruktive Vorschläge, die ich von Marcus Fuchs aufschnappte, einem Organisator der Demonstrationen in Dresden, der die Menschen dazu aufforderte, ihre Differenzen bei Seite zu legen und sich stattdessen auf die Gemeinsamkeiten zu fokussieren. Beispiele dafür wären für ihn, der Erhalt des Bargeldes, politisches Fehlverhalten ahnden, sowie bedingungslos friedliche Außen- und sinnvolle Energiepolitik. Punkte, die ich gänzlich unterstreichen würde.

Der Zug setzt sich in Bewegung

Inzwischen sind Stunden vergangen. Nächster Punkt im Programm war ein großer Demonstrationszug durch die Stadt, der in der Abschlusszeremonie, einer weiteren Bühne am Luthergarten, enden sollte. Es war ein wirklich langer Weg. Mit den Trommlern an der Seite, setzte sich der Zug bei nun mittlerweile diesigem Wetter in Bewegung. Das war ein toller Moment und man konnte sich nun ein besseres Bild von der Masse an Menschen machen. Ganze sieben Minuten nahm ich mit meinem Handy auf, in denen unentwegt Menschen vorbeizogen. Im Laufe des friedlichen Protestzugs haben sich immer mehr Leute angeschlossen. Die Stimmung war super. Ich beschloss, eine Abkürzung zu nehmen und auf den Tross zu warten.

Schließlich war die Sonne verschwunden und die mächtigen Scheinwerfer und Leinwände der zweiten Bühne erhellten den Abend imposant. Als die Masse im Luthergarten eintraf, war das ein berührender Moment, denn ihre Glücksgefühle waren ihnen deutlich anzusehen und steckten an.

Abschluss

Die Masse war versammelt und lauschte den letzten Beiträgen, die auch hier mit wirklich tollen Musikbeilagen untermalt wurden. Die Sängerin “Rairda” nahm die Zuhörer mit auf eine sphärische Reise. Diese Liveperformance ging unter die Haut. Anschließend sprach ein Pfarrer, der die Teilnehmer vom ehemaligen ZDF Moderator Peter Hahne herzlich grüßen ließ, bevor Jürgen Elsässer an das Mikrofon trat. Sein Fokus lag auf NATO, amerikanischer Außenpolitik und den Deutschen. Inhaltlich nichts Neues, aber dennoch wichtig, solche heißen Themen immer wieder anzusprechen und sich eben nicht davor zu verstecken. Nach seinem Beitrag war ich dann am Ende und lief nach Hause.

Platt, die Klamotten in die Ecke geschmissen, wate ich an meinen Rechner und überspiele ganze 15 GB mit 442 Bildern und Videos. Gerade will ich die ersten Zeilen schreiben, da läuft im Hintergrund eine Melodie, die ich seit langer Zeit nicht mehr zu Ohren bekam und die mich seltsam nachdenklich stimmte. Sie ließ mich den Abend noch einmal genussvoll Revue passieren. Ich dachte an den Mut, den all die Menschen auf der Bühne und vor Ort aufbringen, nur um für Selbstverständlichkeiten einzutreten, die man bisher niemals in Frage gestellt hätte. Das Ausmaß der Absurdität ist mittlerweile so grotesk, dass einem teilweise die Worte fehlen und man gar nicht mehr weiß, wo man ansetzen soll, wenn sich doch einmal ein interessierter Mensch aus der Herde herauswagt und sein Interesse bekundet.

Die Verurteilten

Am heutigen Tag begegnete ich einigen verfemten Personen des öffentlichen Lebens persönlich. Ihnen allen hat die mediale Berichterstattung offenkundig nicht gut getan. Sie sorgten aktiv dafür, dass diese Menschen, die ebenso ein gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft sind, kein Gehör in der breiten Öffentlichkeit fanden und immer noch finden. Einer der verbrämten, der verbrannten und geächteten, ist Dr. Heinrich Fiechtner. Ein Mann, den viele Mitmenschen augenscheinlich als das personifizierte Böse ansehen. Ich selbst bemerkte bei seiner energischen Rede, welch rhetorische Kraft in ihm steckt und wie er, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, mit voller Inbrunst seine Überzeugungen mit der Menge teilte. Auch er ist ein Verurteilter in den Augen Vieler.

Er und all die anderen, die sich für ein friedliches und faires Miteinander einsetzen, sind schuldig. Die vermeintliche Mehrheit hat sich entschieden sie zu verurteilen. Sie sind schuldig, wenn es heißt, sich den bewusst herbeigeführten Fehlentwicklungen entgegen zu stellen und laut Nein zu sagen, wenn Ungerechtigkeiten Realität werden. Schuldig, wenn es heißt, für ein echtes demokratisches Miteinander zu sein. Schuldig, bei Verlautbarung, für Frieden einzustehen mit allen Völkern dieser Erde.

Egal, ob der eine laut und der andere leise agiert, wir alle sollten froh darüber sein, dass es diese Menschen gibt, die sich auf unterschiedlichstem Wege für Freiheit und Frieden einsetzen, egal wie stark der Gegenwind ist. Allen Verurteilten danke ich von ganzem Herzen und sende noch einige mutmachende Eindrücke dieses einzigartigen Tages.

Wo ich die Freiheit sah

Einflüsse

Schon immer beeinflusste mich Musik außergewöhnlich stark. Nichts kann eine Empfindung besser verkörpern. Deswegen schaffe ich es auch, Lieder in Dauerschleife zu hören, weil ich das jeweilige Gefühl immer und immer wieder erleben möchte. Momentan geht es mir so mit einem Lied von “The Anix”. Während ich diese Zeilen schreibe, läuft es ununterbrochen und hilft mir dabei, die richtigen Worte zu finden, um meinen Gedanken den optimalen Ausdruck zu verleihen. Es nennt sich “Pendulum” und besitzt nur zwei Zeilen, die sich stetig wiederholen: “like a pendulum, free until it stops“.

Es beinhaltet all das Unfassbare, was mich umgibt in komprimierter Form. Die Gewissheit, dass mit der Welt etwas nicht in Ordnung ist, schwindet für einen Moment. Es regt sich eine Sehnsucht nach einer besseren Welt, einer Welt, die frei ist, in der die Menschen in Frieden miteinander leben. Eine Welt, in der man unbeschwert Mensch sein kann und in der man die Leichtigkeit des Seins spürt. Eine echte Traumwelt eben. Vor Kurzem traf ich Menschen, die mir genau das vermittelten.

Johanna & Magdalena
Fremde, die zu Freunden wurden

Es gibt Momente im Leben, die einem auf ewig in Erinnerung bleiben. Zufällige Begegnungen, bei denen man unweigerlich spürt, dass sie einem wohlgesonnen sind, auch wenn man es nicht sofort rational begründen kann. Es sind die Augenblicke, die das Leben so besonders machen. Manchmal spürt man einfach, dass man aus dem selben Holz geschnitzt ist, ohne auch nur ein Wort gewechselt zu haben. So erging es mir bei den Ackerpiraten, eine wunderbare Großfamilie, die ich durch einen glücklichen Zufall treffen durfte und ganz in der Nähe meiner Heimatstadt ihr inspirierendes und freies Leben führt.

Meine Motivation

Schon seit einiger Zeit spiele ich mit dem Gedanken, meinen Fokus auf das Leben in der momentanen Situation zu legen. Menschen festzuhalten, die etwas über sich zu erzählen haben, die davon berichten, welchen Einfluss die aktuelle Situation auf ihr Leben nimmt. Ich möchte diese Menschen begleiten und ihre Geschichte bildlich erzählen, so dass sie auch Andere nachempfinden können. In den Ackerpiraten sah ich einen perfekten Einstieg für mein Vorhaben.

Eingang der Ackerpiraten
Das Leben der Ackerpiraten

Wie immer, machte ich mich ohne Vorbereitung los und ließ mich treiben. Es war ein schöner Morgen. Einige Wolken begleiteten mich am Himmel, was immer gute Voraussetzungen für ein paar Fotos sind. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich am Ende ganze 1.850 Mal auf den Auslöser drücken würde. Endlich war ich da. Ich klingelte und wurde aufs Herzlichste begrüßt. Ich wurde durch den großen Saal in die Küche geleitet, wo ich vom Rest der Bewohner freundlichst empfangen wurde. Ich fühlte mich sofort zu Hause.

Die Ackerpiraten, das sind Noreen, Henning, Othilia, Felix, Johanna, Magdalena, Antonia, Dennis, Kevin und Jean. Gerade wurde das Frühstück vorbereitet, das Meiste natürlich selbst gemacht, sogar das Brot. Es herrschte eine entspannte und äußerst gemeinschaftliche Atmosphäre. Ich lernte viel. Unmöglich dies alles zu behalten, doch von dem, was ich mir merkte, will ich berichten.

Gemeinsames Frühstück

Die Ackerpiraten sind ein Bio-Landwirtschaftsbetrieb. Alles, was man zum Leben braucht, bauen sie selber an. Sie haben Ziegen, die sie ernähren, sie besitzen ein riesiges Feld, was sie bewirtschaften und man findet so ziemlich jedes einheimische Gemüse, was man sich vorstellen kann. Wolf Dieter Storl wäre sicher beeindruckt! Hinzu kommen die schier unglaublichen Fähigkeiten und das Wissen aus vergangenen Zeiten.

Neben dem Brot, was sie selbst herstellen, halten sie sich sogar Bienen, die sie mit Honig versorgen. Die Ackerpiraten besitzen eine riesige Vorratskammer mit eingeweckten und fermentierten Leckereien, Einiges davon, durfte ich probieren. Wahrscheinlich war all das Know How in Sachen Anbau und Ernährung, auch der Grund dafür, dass sie als einer der wenigen landwirtschaftlichen Betriebe, von der Sarah Wiener Stiftung angeschrieben worden sind, die eine Kooperation mit ihnen anstrebte und schließlich auch umsetzte.

Als Pirat in Zeiten von Corona

Wir sprachen im Laufe des Tages über sehr viele Dinge. Selbstverständlich auch über Corona und wie es ihren Alltag beeinflusst. Das Thema Politik entdeckte die Familie erst vor circa zwei Jahren, vorher war sie nie Gesprächsgrundlage am Frühstückstisch. Die Ackerpiraten boten vor der Krise Kurse für Schüler aus der Umgebung an, die die Sarah Wiener Stiftung förderte. Hier wurden den Kindern verschiedenste Grundlagen der Ernährung und des Anbaus vermittelt. Ziel des Ganzen war es, die Kinder wieder an solche Ursprünge heranzuführen, dies gelang, in dem sie mit den Kleinen Brot backten, gemeinsam kochten, Gemüse im Garten pflückten oder sich mit den Tieren auf dem Hof beschäftigten.

Den Ackerpiraten ist es eine Herzensangelegenheit, ihr Wissen an die Kleinsten weiterzugeben. Was haben die Menschen früher gemacht, als es noch keinen Strom und kein Internet gab? Wie haben sie sich damals ernährt oder wie haben sie gelebt? Die Piraten möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, was es heißt, unabhängig zu sein und frei und Selbstbestimmt leben zu können. Seit Anfang vergangenen Jahres ist all das nicht mehr möglich.

Die kleine Elli

Doch es gibt auch Positives, was diese Situation mit sich brachte. Noreen, Mutter und offensichtliches Familienoberhaupt der Ackerpiraten, teilte mir mit einem Lächeln mit, dass trotz aller Widrigkeiten, das Gemeinschaftsgefühl stark gestiegen ist. Es hat die Familie noch viel mehr zusammengeschweißt, da niemand mehr zur Universität gehen muss und alle von zu Hause aus studieren können . Es gibt deutlich mehr fleißige Hände, die dieses Großprojekt stemmen und es bleibt eine Menge Zeit füreinander.

Ein nachhallender Tag geht zu Ende

In ihr Leben durfte ich einen ganzen Tag eintauchen und es fotografisch begleiten. Ich spürte die Freiheit, die Unbeschwertheit, die Gemeinschaft, die Aufrichtigkeit und echtes Herz. In Zeiten wie diesen, hege ich ganz besondere Dankbarkeit für solche Momente. Vielleicht inspirieren sie den Einen oder Anderen dazu, sich ebenfalls mit Menschen zu umgeben, die einen Gut tun, an statt permanent gegen etwas zu kämpfen.

~ Ulli

Link zu den Ackerpiraten

Ein Junitag

Momentaufnahmen

Neulich fragte mich eine Freundin, ob ich nicht einmal Zeit hätte, ein paar Momentaufnahmen ihrer Kinder zu machen, denn Sie findet Gefallen an der Art, wie ich Situationen festhalte. Klar, sagte ich, lass mich einfach vorbeikommen und sehen, was dabei entsteht. Ich plane nie etwas wenn es mit der Fotografie zu tun hat. Ich versuche den Augenblick einzufangen und weiß selbst nicht, ob am Ende etwas Besonderes dabei herauskommt.

Auftakt

Samstag Vormittag stieg ich ins Auto und fuhr los. Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien und das Thermometer zeigte unbarmherzige 32 Grad an. Als ich ankam, wurde ich sehr herzlich begrüßt. Fahima und ihre beiden Kinder empfingen mich in ihrem wunderschönen Domizil. Ihr Mann war leider nicht zugegen, denn er war geschäftlich unterwegs, doch hofften wir alle gemeinsam, dass er sich über die Aufnahmen freut, wenn er sie demnächst zu Gesicht bekommen wird. Ein wenig aufgeregt war ich schon, denn es ist doch eine gewisse Herausforderung diese Art Bilder, wie ich sie mir grob vorstellte, entstehen zu lassen.

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Reportagestil

Nach einigem Smalltalk zückte ich mein Werkzeug und machte die Kleinen erst einmal damit vertraut. Fahima sagte mir, dass die Beiden der Kamera immer etwas schüchtern entgegentreten, also dachte ich mir, zeig sie ihnen erst einmal, vielleicht nimmt ihnen das etwas die Angst. Wir erzählten, die Kinder wuselten um ihre liebende Mutter und ich drückte immer mal wieder auf den Auslöser. Der Anfang spielte sich hauptsächlich in der Küche ab, denn Fahima bereitete ein köstliches Mahl vor. Den Kleinsten im Arm, versuchte ich währenddessen aus den unterschiedlichsten Perspektiven die Augenblicke festzuhalten. Oft kniete ich auf dem Boden, um den Beiden auf Augenhöhe zu begegnen. Das ist übrigens einer der besten Tipps, den ich geben kann, bei Aufnahmen mit kleineren Wesen, wie Kindern oder Tieren, immer auf Augenhöhe gehen, denn das bringt sie am Allerbesten zur Geltung. Relativ schnell entschied ich meine erste Idee zu realisieren und das Ganze in einer Art Reportage zu präsentieren, also alle Personen ohne gestellte Posen aufnehmen, ganz so, wie sie sich in dem jeweiligen Moment eben geben. Natürlich wurde auch das ein oder andere Bild arrangiert, aber es sollte nicht so rüberkommen. Wichtig war mir, dass es interessante Aufnahmen werden, solche, die auch Menschen berühren können, die keinen Bezug zu Fahima und Ihren Kleinen haben.

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Im Freien

Zwischenzeitlich spazierten wir im Garten entlang und hielten hier und da an, um ein paar Bilder zu machen. Es war mittags, eine Zeit, die für die Fotografie äußerst ungeeignet ist, denn die harten Schatten, bedingt durch die pralle Sonneneinstrahlung, wirken sehr oft negativ auf das Endergebnis. Ich versuchte also so oft es geht, mit dem Rücken zur Sonne zu stehen, damit ein einigermaßen brauchbares Ergebnis herauskommt. In meinem Kopf schwirrte schon der Bearbeitungsstil herum: eine Art amerikanischer Stil, der sehr oft gekörnt und eben nicht auf Perfektion ausgerichtet ist. Er unterstreicht meines Erachtens die Situation perfekt. Es gibt Aufnahmen, die technisch gesehen, nicht die Besten sind, doch ist das gar nicht nötig, denn ein Rauschen im Bild kann sich sogar vorteilhaft auf die Stimmung auswirken.

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Die Bilder waren im Kasten

Es vergingen einige Stunden. Man vergisst die Zeit regelrecht bei so einem Vorhaben. Doch ich spürte, dass ein Teil der Aufnahmen etwas werden könnten. Ich drückte Sage und Schreibe 518 mal auf den Auslöser. Natürlich ist am Ende nur ein klitzekleiner Teil für eine Bildpräsentation geeignet gewesen, doch ich war letztendlich sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

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Dann ging es wieder nach Hause

Ich hatte das Gefühl, dass alle recht glücklich waren mit meinem Besuch. Es war ein rundum gelungener Tag. Nach der köstlichen Bewirtung und einigen letzten Aufnahmen, schlug ich wieder den Heimweg an und startete noch am selben Abend mit der Bearbeitung dieser Masse an Bildern. Einen Teil davon darf ich hier präsentieren. Ich bin jedenfalls sehr zufrieden und vielleicht bewegen sie den Einen oder Anderen da draußen ja auch.

~ Ulli

 

 

Sommerhochzeit

Und wieder haben es Zwei gewagt, sind Freunde von mir den Bund fürs Leben eingegangen. Lena und Björn, zwei Menschen, die sich fanden und ohne jeden Zweifel füreinander bestimmt sind. Jeder, der sie kennenlernt, wird diese angenehme Wärme und Offenheit zwischen ihnen unweigerlich spüren. Dies war auch die besondere Herausforderung für mich, auf den Bildern die entsprechende Wirkung zu erzielen, denn ich wurde gefragt, ob ich während dieses besonderen Ereignisses ein paar Bilder machen würde. Begleitet von dem Gedanken, dass es schon nicht so wild werden würde, diesen Tag mit der Kamera bewaffnet ein paar Aufnahmen zu machen, willigte ich bedenkenlos ein. Allerdings teilte ich den Beiden vorab mit, dass wir wohl alle ziemlich gespannt sein können, was am Ende dabei herauskommen wird, aber dieses Risiko gingen Lena und Björn augenscheinlich bewusst ein.

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Natürlich plante ich auch hier nichts im Voraus. Wie immer wollte ich alles vor Ort auf mich wirken lassen und nahm mir vor, an Eindrücken mitzunehmen, was ich konnte. Mir war nur bekannt, dass sie während des jährlich stattfindenden Lutherfests heirateten und sich dementsprechend kleiden würden. Ich schaute mich ein wenig im Netz um und ließ mich von Profis in diesem Metier inspirieren, ohne auch nur im Entferntesten zu ahnen, welch enorme Anstrengung und Verantwortung es erfordern würde, einen solch wichtigen Tag fotografisch zu begleiten. Bisher habe ich nur wenig Erfahrung in Sachen Hochzeitsfotografie sammeln können, noch nie war ich mit meiner Kamera bei einer Vermählung oder den Vorbereitungen dabei. Die einzige Vorstellung, die ich bereits von vornherein hatte, war, dass ich eine Art Reportagestil machen möchte, sprich, am Ende sollen natürliche und möglichst viele ungestellte Bilder entstehen, die einen Retroflair besitzen. Neben klassischen schwarz-weiß Bildern wünschte ich mir warme, gekörnte Aufnahmen, die dem Betrachter das Gefühl vermitteln sollen, er könne genau nachvollziehen, wie wundervoll dieser Tag gewesen sein muss.

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Nun war es endlich soweit, von früh bis abends parat stehen und nach besonderen Blickwinkeln Ausschau halten, ohne genau zu wissen, was mich erwarten würde und ob ein Teil der Aufnahmen am Ende gelingt. Egal, es ging los: Als erstes stand der Friseurtermin an. Schon häufig sah ich bei den Profis, dass sie zusätzlich die Vorbereitung aufnehmen, also dachte ich mir, es kann ja nicht falsch sein, wenn auch ich das mache. Gesagt getan. Mit der Kamera testete ich die verschiedensten Perspektiven aus. Viel Platz war nicht vorhanden und verdammt warm war es auch und das bereits um acht Uhr morgens! Aber ein paar Bilder waren im Kasten. Weiter ging es zu Lena nach Haus, wo neben dem Schminktermin erst mal ein Sektfrühstück mit Fast-Ehemann Björn, Freunden und Verwandten anstand. Ich genehmigte mir auch einen, es war ja so heiß! Zwischendurch fotografierte ich und versuchte so oft es nur ging, relativ unbemerkt den Auslöser zu betätigen, selbst der Hund und die Katze blieben nicht vor meiner Linse verschont. Einige gestellte Bilder müssen an so einem Tag bekanntermaßen auch sein, also kamen alle Gäste vor die Linse, die Lust hatten. Ich fand die Idee mit der Backsteinwand ganz gut, also positionierte ich meine Zielpersonen davor und nahm ununterbrochen auf.

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Nach circa zwei Stunden ging es in die Stadt, Trauungstermin war um elf Uhr. Zwischendurch planten wir durch den Park zu gehen, denn es war anzunehmen, dass dies eine gute Kulisse für ein nettes Bild werden würde. Und so war es meines Erachtens auch. Meine Lieblingsaufnahme zeigt Lena und Björn aus meiner oft genutzten Froschperspektive, während sie in den Park laufen.

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Nach einem Treffen mit weiteren Verwandten und Freunden in der Stadt, ging es mit der Stadtwache Wittenberg zum Rathaus, in dem die Vermählung vollzogen werden sollte. Sowohl vor, während und nach der Trauung habe ich unzählige Fotos gemacht. Ich versuchte so viele Momente festzuhalten, wie möglich. Allein hier stellte ich meine Kamera auf eine harte Probe, so oft wie ich den Auslöser hintereinander betätigte. Mir war bewusst, dass am Ende nur eine Handvoll ansprechender Bilder herauskommen würde. Auf alle Fälle war es ein bewegender Moment, als sich Lena und Björn das Jawort gaben. Es war wirklich wunderschön und das Hochzeitspaar locker und lustig wie eh und je, eine Freude für alle Beteiligten, selbst für den Bürgermeister der Stadt.

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Anschließend gab es eine dringend benötigte Pause, da es pure Knochenarbeit war, bei dieser unfassbar drückenden Wärme zu fotografieren. Meine Anspannung löste sich etwas, als ich endlich meine lang ersehnte Fassbrause die Kehle entlang herunterspülen konnte. Gegen Abend waren dann alle Gäste auf der Schlosswiese versammelt, auf der das Lutherfest seinen mittelalterlichen Knotenpunkt besaß. Wir tranken, aßen und feierten. Ein weiteres Highlight war zweifelsohne das Ständchen des örtlichen Fanfahrenzugs, was uns alle sehr beeindruckte.

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Abschließend kann ich sagen, dass es ein durch und durch gelungener Tag war und ich sehr glücklich darüber bin, dass mir die Ehre zu Teil wurde, die Hochzeitsbilder zu machen. Gerade an so einem besonderen Tag wie diesem, finde ich es wichtig, dass zeitlose Bilder entstehen und ich hoffe, ich bin dieser Aufgabe im Sinne von Lena und Björn gerecht geworden.

Meines Erachtens werden Bilder immer für die Ewigkeit sein, sie werden anhaltend bewegen, auch im Zeitalter des technologischen Fortschritts. Selbst weit in der Zukunft wird ein Bild die Menschen berühren. Deswegen ist es für mich die wundervollste Leidenschaft die es gibt und bin unendlich dankbar dafür, wenn ich es schaffe, mit meinen Aufnahmen den Einen oder Anderen zu berühren.

Lass es dir gut gehen!

~ Ulli